![]() |
Das Elbenbuch
TEIL EINS: Die Reise Von Bofur Dem Zwergen
Leise rüttelte der Wind am Fenster.
Der Regen fiel sanft auf das strohbedeckte Dach, um in großen Tropfen
auf den sandigen Waldboden zu fallen. Die Bäume rauschten, fast wie die
Brandung des Meeres an einem einsamen Strand irgendwo da draußen in der
Finsternis.
Bofur schlief fest und seine Zehen bewegten sich leise im Schlaf. Er träumte
etwas schönens, denn sein Gesicht, daß sonst so angespannt und faltig
dreinschaute war ganz friedlich. Fast lächelte er. In seinem Traum lief
er über einen Berghang. Vereinzelte Garn-Bäume wuchsen hier und ein
kristallklarer Bach entsprang den kalten Felsen. Ja, er war wieder zuhause,
auf dem Ered Nimrais. Und der Bach würde bald ein breiter Fluß werden,
den die Elben Lefnui nannten. Der kalte Gebirgswind blies ihm um die Nase und
er fühlte sich so wohl und frei wie selten.
So schlief Bofur also friedlich, als ein leises Klopfen an der Tür begann.
Bofur drehte sich im Schlaf, noch zu müde um irgend etwas zu bemerken.
Das Klopfen wurde schnell leiser und bald war nur noch ein schwaches Kratzen
und dann gar nichts mehr zu hören. Bofur träumte weiter.
Der Morgen war heiter und der Wind hatte die letzten Regenwolken vom Himmel
geblasen und so schien die Sonne durch das Fenster an der Hütte im Wald.
Bofur wachte auf und fuhr sich durch die zerzausten Haare. Ganz und garnicht
ausgeschlafen krabbelte er aus seinem mollig warmen Bett um sich zu waschen.
Er holte eine große Schüssel aus dem Schrank, der in der Ecke stand,
um ihn mit eiskalten Wasser aus dem Brunnen draussen zu füllen. Doch als
er die Tür aufschloss und sie öffnete fiel ihm ein Körper entgegen.
Man könnte eher sagen, er rutschte herein da er halb sitzend, halb liegend
an der Tür lehnte. Bofur setzte die Schüssel ab und beugte sich über
den Fremden. Es war ein Elb. Ziemlich zerkratzt und heruntergekommen, aber unschwer
ersichtlich ein Elb. Da lag er nun und rührte sich nicht. Auch leichte
Klapse auf die Wangen änderten nichts an seinem Zustand. Bofur kratzte
sich seinen Bart. Dann schleifte er den Elben, der eiskalt war und sich etwas
versteift hatte, erst einmal in die Hütte aufs Bett. Dabei fiel ein kleines
Buch aus den Händen des Elben. Als der Elb gebettet war, legte Bofur das
Buch auf sein Nachttischchen. Dann holte er Wasser um es dem Fremden einzuflößen.
Und erst jetzt bemerkte er, daß der Elb tot war. Leicht grünlich
waren seine Lippen und lächelnd war er gewiß nicht gestorben. Seine
Hände waren zerschunden, wie als hätte er mit ihnen im Sand wild gegraben.
Seine Kleidung war sehr abgetragen und zerschlissen und er sah garnicht so fürstlich
Elbisch aus, wie man sonst dieses Volk zuweilen sah.
Nein. Dieser Elb sah eher heruntergekommen aus. Auch trug er ein Schwert, was
Elben heute selten zu tun pflegten. Bofur ließ sich auf seinen Schemel
neben dem Bett fallen und grübelte. Warum war dieser Elb zu ihm gekommen?
Das konnte er sich garnicht erklären. Vor allem da er mit Elben nie zu
tun hatte. Ja, er vermied es sogar, da er dieses leichtlebige Volk nicht sehr
schätzte. Und sowieso gab es ja den alten Groll zwischen Zwergen und Elben,
der sich seit Gimli und Legolas oder dem Zwergenvolk vom Erebor und den Waldelben
nicht stark gebessert hatte. So saß also Bofur da und dachte nach. Dann
kam er zu dem Schluß, daß der Elb verschwinden mußte. Also
grub er ein tiefes Loch im Garten und warf den Elben hinein. Als Bofur es zugeschaufelt
hatte und verschwitzt wieder in die Hütte gehen wollte, stand jemand vor
dem Fenster und spähte in die Hütte hinein.
"He!", rief Bofur, und die Gestalt drehte sich hastig um. Es war ein
finsterer Geselle der in schwarze Lumpen gehüllt war. Sein Gesicht war
von einer Kapuze verborgen. Nur seine Augen konnte man bläulich schimmern
sehen.
Bofur ging etwas verunsichert auf den Fremden zu. "Was gibts, Fremder!",
sagte Bofur. Der Fremde zischte ihn an. Dann krächtzte er: "Elb, wo
ist Elb, zsch, zsch." Bofur lief es kalt den Rücken herunter und seine
Nackenhaare stellten sich auf. Irgend etwas gefiel ihm ganz und garnicht, wie
dieser Schwarze da vor ihm stand und zischelte. "Ich weiß nicht was
Ihr meint!", brachte er heraus, "Es ist mir auch egal! Los, verschwindet."
Der Fremde drehte sich auf dem Absatz um und verschwand im Wald. Bofur stand
entgeistert da und starrte ihm nach. Dann ging er in die Hütte und gönnte
sich auf den Schreck erst einmal einen kräftigen Schluck Met. Nach dem
vierten Becher war der Elb, der schwarze Fremde und die Geschehnisse des Morgens
vergessen. Als Bofur dann den Tisch abräumte und das Bett herrichtete entdeckte
er wieder das kleine Buch, das der Elbe bei sich hatte. Es lag immer noch auf
dem Nachttisch. Bofur betrachtete es sich jetzt genauer. Es war in dickes, rotes
Leder eingebunden. Und auf seinem Umschlag war in den Buchstaben von Westernis
etwas geschrieben. "MOR ET NAR ET NEN. ORN ET OROT. AI ILUVATAR. AI GORGOROTH.",
las er.
Das war zweifelsohne Elbensprache. Interessiert schlug Bofur das Buch auf. Aber
der Rest war in Elbenrunen geschrieben, die er nie gelernt hatte. Es war sehr
alt. Das konnte man sehen, denn die Elben schrieben schon lange nicht mehr in
dieser Art Runen. Die Neugierde packte den alten Zwerg und er beschloss Radagast,
den Weißen, um Rat zu fragen. Radagast schuldete ihm sowieso noch einen
Gefallen aus alter Zeit. Bruchtal lag nur drei Tagesreisen entfernt und Bofur
wollte den alten Radag schon lange einmal wieder besuchen.So machte er sich
also aus seiner Hütte in Rhu Daur, den Trollhöhen auf, nach Imladris.
Das Wetter war angenehm und es machte ihm Freude einmal wieder so richtig zu
wandern, sich im Schatten eines Baumes ins Gras sinken zu lassen und den Met
zu genießen. Bald erreichte er das verborgene Tal in dem sich Elronds
Haus befand. Elrond vermachte das Anwesen Radagast dem Braunen als er mit seinen
Anhängern zu den Grauen Anfurten zog um Mittelerde für immer zu verlassen.
Radagast wurde bald Leiter des Rats und so wurde er zu Radagast dem Weißen.
Denn klug und weise war sein Rat, gerecht und hart war sein Urteil. Doch freundlich
und schön war das Leben in Bruchtal, ganz so als wäre Elrond nie gegangen.
Schon erreichte Bofur die erste Pforte und fand sie unbewacht. Wer sollte sie
auch in diesen friedlichen Zeiten schon bewachen? Doch am Eingang fand Bofur
zwei Elben die ihn mißtrauisch musterten.
"Hoi, hoi!", rief Bofur ihnen freudig zu, obwohl es Elben waren, aber
er freute sich schon so sehr auf die reich gedeckte Tafel in Elronds Haus, daß
er dies vergaß. Doch die Elben waren nicht so freudig. Sie versperrten
ihm den Weg und fragten nach seinem Namen und seinem Anliegen. Da bedauerte
Bofur schon, daß er seine Axt zuhause gelassen hatte. Er hatte große
Lust ein paar Elbenscheitel zu stutzen. "Ich bin Bofur, Bofirs Sohn, der
Sohn von Bombur!", rief er erzürnt. "Ich bin ein guter Freund
von Radagast! Und den will ich besuchen!", das sagte er schon hitzig. Doch
die Elben ließen sich von seinem Zwergenspecktakel nicht beeindrucken.
Sie tuschelten vielmehr in ihrer Elbensprache, was Bofur nahezu zum Platzen
brachte. Mit roten Kopf schrie er laut: " Ich bin ein anständiger
Zwerg und lasse mich nicht von dahergelaufenen Wegelagerern belästigen!!"
Verständnislos betrachteten die Elben den tobenden Zwerg und konnten sich
ein Grinsen nicht verkneifen. Doch da kam ein alter gebeugter Mann, auf einen
Stock gestützt, aus dem Tor. Seine langen weißen Haare und seine
silberner Bart waren zerzaust. Er trug eine lange blaue Robe mit goldenen Stickereien.
Er schien etwas böse dreinzuschauen, doch als er Bofur erkannte hellte
sich sein Gesicht etwas auf. "Ahh, Bofur!", sagte er freudig. "Tretet
doch näher." Und die Elben machten ihm Platz. Bofur folgte Radagast
ins Innere des Hauses. Dann sagte er: "He Radag, seit wann trägst
du denn diesen blauen Umhang? Ich dachte immer Weiß wäre deine Farbe."
Radagast drehte sich beim Laufen etwas um und sagte trocken: "Ja, Weiß
ist auch meine Farbe, aber das, was ich gerade trage ist mein Schlafgewand,
schließlich hast du mich mit deinem höllen Lärm aus meinem schönen
Mittagsschlaf geweckt! Aber was führt dich zu mir?" Radagast ging
eine lange Treppe hinauf, Bofur folgte ihm. Dann gelangten sie in die Halle
des Feuers, die völlig leer zu diesem Zeitpunkt war. Sie machten es sich
vor dem Kamin gemütlich und packten ihre Pfeifen aus. Dann sprach Bofur
von den Vorfällen der letzten Zeit, dem schwarzen Fremden und dem Buch.
Letzteres betrachtete sich Radagast genau. Nach geraumer Zeit der Studie des
Buches sah er besorgt auf. "Was wir hier haben ist die Bibel des Hexenmeisters
von Angband", sagte Radagast mit ernster Stimme. "Sie enthält
die Schöpfungsgeschichte des Eru, des Großen, des Einen. Und sie
enthält, wie man diese Schöpfung wieder Rückgängig machen
kann. Wieso sie gerade in Elbenrunen abgefaßt ist, kann ich mir allerdings
nicht erklären!"
Bofur zog lange an seiner Pfeife und ließ große Ringe aufsteigen.
Dann sagte er: "Gibt es noch mehr davon?" "Nein! Ich glaube es
ist das einzige Exemplar, und es wurde nicht vom Dunklen Herrscher selbst geschrieben,
denn er verabscheut alles Elbische, außerdem würde seine Hand das
Pergament verbrannt haben, wenn er ihm zu nahe käme", flüsterte
der Zauberer mit heiserer Stimme. "Wir müssen sofort den Rat einberufen,
Bofur, sofort müssen wir das."
Damit sprang Radagast von einer neuen Kraft gepackt auf und rannte zum Ausgang
hinaus. Bofur saß alleine im dunklen Zimmer und das Feuer ließ Schatten
auf seinem nachdenklichen Gesicht tanzen. Dann klopfte er seine Pfeife am Kamin
aus, stand auf und brummte in seinen Bart: "Scheiß Elben!"
Der Rat war schnell einberufen, schließlich bestand er ja nur aus nunmehr
drei Mitgliedern. Nämlich aus Radagast, dann dem Elben-fürst Halfindel
und der Hobbitfrau Elanor, die es für einen Hobbit zu viel Weisheit gebracht
hatte. Aber schließlich war sie ja die Tochter des berühmten Sam
Gamdschie, des alten Bürgermeisters von Groß-Hobbingen und Unter-Beutlinshausen.
Leider hatte sie das Pech das Aussehen ihres Vaters zu erben. Somit war sie
also nicht sonderlich ansehnlich. Aber das ist eine andere Geschichte und ich
glaube, daß sie niemand hören will.
Also der Rat war versammelt und dafür, daß so wenige Personen anwesend
waren herrschte dennoch ein enormer Lärm. Radagast parlamentierte mit Halfindel,
und Elanor schrie ab und zu ein Kommentar dazwischen. Dann kam Bofur herein,
kratzte sich am Kopf, ließ sich in einen tiefen Sessel fallen und ärgerte
sich, daß er mit seinen Nachrichten nicht bis nach dem Essen gewartet
hatte. Aber dann lauschte er doch der Diskussion. Der Rat war gerade dabei über
das Buch zu debatieren. Wobei sonst? "Unmöglich, unmöglich!!",
sagte Halfindel gerade gereizt zu Radagast. "Kein Elbe würde so etwas
verfassen, noch aufschreiben. Eher würde ich es den verräterischen
Zwergen zutrauen." Bofur schaute sich nach etwas Schwerem im Raume um,
was er dann auf dem Kopf des Elben kaputthauen könnte. "Schließlich
haben diese Zwerge uns bestohlen, dieses miese Volk", führte Halfindel
weiter aus. Bofur überlegte sich ob er jetzt wirklich den letzten Elbenfürst
auf Mittelerde auslöschen sollte. Noch bevor der Elb Luft holen konnte,
um weiter die Zwerge in den Schmutz zu treten, hing aber ein Anhänger dieses
Volks an seiner Kehle. Nämlich Bofur. Mit knallrotem Kopf schrie dieser:
"Schnauze du halbwarme Elbenschwuchtel mit deinem gepuderten Warzengesicht!"
Dann spürte er etwas ungemein hartes seinen Kopf treffen und er sackte
zusammen. Elanor hielt noch den abgebrochenen Stiel einer Fackel in der Hand
und sagte: "Früher hielten die auch mehr aus."
Mit brummendem Schädel wachte Bofur auf. Das besorgte Gesicht Radagasts
beugte sich über ihn. "Ahh, da ist er ja wieder", stieß
er freudig hervor. Bofur stand stöhnend auf, setzte sich wieder auf seinen
Stuhl und brummelte zwergische Verwünschungen in seinen Bart. Mit einem
hämischen Grinsen musterte Halfindel den armen Bofur. Radagast sagte mit
dem Rücken zum Fenster: "Also werden wir ausziehen um dieses Buch
zu vernichten. So wie damals die Gemeinschaft der Neun auszog." Er rang
sich die Hände. "Nur daß wir nicht zu neunt sein werden! Als
Vertreter der Elben wird Halfindel mitgehen." Das Grinsen des Elben machte
einem entsetzten, verblüfften Ausdruck platz. "Dann Elanor, als Vertreterin
des kleinen Volks. Und du Bofur, gehst für das Zwergenvolk mit. Einen Menschen,
der die Qualitäten des guten Herrn Elbenstein in sich birgt, kenne ich
nicht, aber Kandron, unser Koch, wird es wohl auch tun müssen." Elanor
platze in heftiges Lachen aus.
Mit einem bösen Blick fuhr der alte Zauberer fort: "Und zuguter letzt
werde ich mitgehen. Schließlich sitze ich hier schon eine Ewigkeit herum
und meine Zauber rosten allmählich ein."
Am Abend saßen Bofur und Radagast wieder alleine in der Halle des Feuers
und genossen eine Pfeife. Bofur musterte den Zauberer, wie er fröhlich
in seinem hohen Sessel saß und zufrieden ein paar große Rauchringe
durch die Luft tanzen ließ. "Sag mal Radag", sprach Bofur besorgt,
"glaubst du, du hast das Richtige getan?" "Selbstverständlich
Bof. Das Buch muß vernichtet werden." "Ich meine ob die Zusammenstellung
der Gruppe richtig war, meine ich!" Radagast hob eine Augenbraue. "Ja,
ja. Ich weiß. Die Gruppe strotzt nicht vor Helden, aber wen hätte
ich den Auftrag sonst erledigen lassen können?" Bofur starrte zu Boden.
"Ich hätte gerne meine Axt hier. Dann wäre die erste Heldentat
schnell vollbracht." Radagst setzte sich auf. "Was denn ? Was wills
du tun?" Bofur legte sich die Fäuste an die Ohren, hielt die Zeigefinger
nach oben und hüstelte geschwollen. "Hm, hm, ich heisse Halfindel
und ich kann nichts dafür." Radagast musste lächeln: "Aber,
aber Bofur, alter Freund. Du wirst dich an ihn gewöhnen. Elben sind nunmal
etwas anders als Zwerge." Wieder starrte Bofur nachdenklich zu Boden. Dann
zog er eine Grimasse, schob die Zähne hervor und lispelte übertrieben
"Und wass isst mit der wunderssönen, haarfüssigen Elanor?"
Radagast lachte. "Welchen Hobbit willst du sonst mitnehmen?" "Garkeinen",
brummte Bofur, "ich hoffe nur daß dieser, wie hieß er noch
gleich, Kandron? etwas auf dem Kasten hat!" "Er ist ein ausgezeichneter
Koch." Bofur griff sich an den Kopf. "Mein Gott."
"Oh mein Gott", entwich es Bofur. Die Gruppe hatte sich im Hof versammelt
und Kandron war zum siebenten Mal von seinem störrischen Maultier gefallen.
Verzweifelt sah Bofur zu Radagast. "Können wir nicht auf ihn verzichten,
Radag?" "Nein", sagte der Zauberer eisern. Halfindel saß
herrisch auf seiner schneeweißen Stute und betrachte hochmütig den
achten Versuch Kandrons seinen Esel zu besteigen. Elanor lungerte in der Ecke
und stopfte sich den letzten Rest des Frühstückkuchens in den Mund.
Schließlich hatte es der tapfere Kandron doch noch geschafft sein Reittier
zu besteigen und Elanor war satt. Also ritten die Helden die Straße von
Bruchtal entlang, stets bedacht einen gebührenden Abstand voneinander einzuhalten.
Radagast führte die Gruppe an und machte sich ständig Gedanken darum,
wohin sie das Buch nun eigentlich bringen sollten. Bofur ärgerte sich pausenlos
über das Fehlen seiner Axt und Elanor hatte schon wieder Hunger. Der Koch
führte seinen einsamen Kampf mit seinem Muli und Halfindel kämmte
sich die Haare. So war also jeder irgendwie beschäftigt und so bemerkten
sie auch nicht die Gestalt, die heimlich hinter ihnen herschlich. Zu allem Überfluß
hörte der Elbe auch noch auf sich zu kämmen und begann von der Alten
Zeit zu singen. Das Lied von Luthien und Beren so zu verschandeln hätte
in der Alten Zeit den Elben sicherlich den Kopf gekostet. Aber zum Glück
sang er es ja nur zweimal. So folgten sie dem Lauf des Bruinen und gegen Abend
legten sie erste Rast ein. Kandron hatte nun endlich die Chance seine wahren
Qualitäten zu beweisen. Und in der Tat. Die belegten Brötchen waren
sogar schmackhaft. Bofur beruhigte seine angespannten Nerven mit Met. Dann erhob
Radagast das Wort. "Meine Freunde! Nun da wir einige Zeit unterwegs sind
und die meisten sich schon nach dem warmen Herd zuhause sehnen, will ich euch
das Ziel der Reise offenbaren. Wir werden nach Isengard gehen um dort das Buch
zu vernichten. Denn jetzt erst ist mir klar geworden wer dieses unheilvolle
Buch schrieb. Es war kein anderer als der verräterische Saruman."
Mit einem triumphierenden Gesicht musterte Radagast die Gemeinschaft der Fünf.
"Ruht euch also aus. Und gute Nacht." Dann setzte er sich und begann
seine Pfeife zu stopfen. Bofur starrte in die Sterne die hell und kalt am Himmel
leuchteten und sagte leise: "Gott steh uns bei." Die finstere Gestalt,
welche die ganze Zeit im Gebüsch kauerte und unbemerkt das Gespräch
belauschte, schlich sich vorsichtig davon.
Das Klappern von Kochgeschirr weckte Bofur.
Viel zu früh. Kandron kochte etwas das würzig roch, scharzer Farbe
war und schmeckte wie die Socken eines Waldläufers. "Lieber hundert
Orks als dieses Zeug nochmal trinken", dachte Bofur mürrisch. Aber
wach machte es ungemein. Nach diesem mehr oder minder schmackhaften Frühstück
machte sich die Gruppe zur Weiterreise bereit, was wie folgt ablief: Halfindel
kämmte sich die Haare, Elanor stopfte sich die zweite Notration in die
Kiemen, Bofur musste ständig in den Himmel sehen und Stoßgebete sprechen,
Kandron kämpfte mit dem Muli und Radagast rang sich unternehmungslustig
die Hände: "Auf, auf zu neuen Taten, meine Freunde." Auf drängen
von Kandron verzichteten sie auf das Reiten und so schritten sie am Ufer des
Bruinen entlang. Die Reittiere trotteten gemächlichen Schritts hinterher.
Es herrschte drückendes Schweigen. Nur Bofur wurde von gelegentlichem Rascheln
in der Uferböschung beunruhigt. Aber jedesmal wenn er sich schnell umdrehte
verstummte das Geräusch und blieb für ein paar Minuten aus. Bofur
behagte die Vorstellung nicht, daß jemand hinter ihnen herschlich und
er seine Axt zuhause hatte. "Wie weit ist es noch bis Isengart?",
nörgelte Elanor. Keiner schenkte ihr Beachtung. So zogen sie Richtung Süden
und niemand sprach ein Wort. Die Mittagsrast verlief äusserst ruhig. Es
gab noch nicht einmal Streit. Und Kandron schaffte es, die Stimmung durch sein
exzellentes Mahl zu heben. Stumm schritten sie später weiter, bis sie zu
einer verlassene Hütte am Uferrand kamen. Daneben spannte sich eine enorme
Brücke über den Fluß. Da sie nichts anderes zu tun hatten, wollten
sie sich die Hütte genauer anschauen. Als sie die verrottete Tür aufstießen
kam ihnen ein faulig, modriger Geruch entgegen. Ein vergammelter Tisch, zwei
alte Stühle und ein Strohlager. Das war die kärgliche Einrichtung
der Behausung.
"Eine Fährmannshütte!", sagte Radagast. "Wahnsinnig
interessant", kommentierte Halfindel gähnend. Bofur ließ sich
auf eine klobige Bank in der Ecke fallen und wischte sich den Schweiß
von der Stirn. Plötzlich tönte eine quäckende Stimme aus der
Bank: "Wer da? Wer macht da so einen Rabatz?" Bofur sprang mit einem
Satz von der Bank. Die anderen machten ein paar Schritte zurück. Bofur
schnappte sich einen abgebrochenen Besenstiel der in der Ecke lag und näherte
sich langsam der Bank. Dann schob er vorsichtig den Stiel unter die Sitzfläche
und drückte sie beiseite. "Ha, ich hab's mir doch gedacht. Eine Truhe",
stieß er hervor. Da lag etwas, in ein graurotes Tuch gehüllt. Sonst
aber nichts. Langsam legte er den Besenstiel zur Seite, griff nach dem Tuch
und mit einer schnellen Bewegung zog er es beiseite. Die anderen hielten den
Atem an. Unter dem Tuch verborgen lag ein enorm großes Schlachtbeil, dessen
Stiel über und über mit Runen bedeckt war. Das Blatt funkelte rotgolden
und auf der Kopfseite war eine furchteinflößende Fratze, mit aufgerissenem
Mund und feurigen Augen, eingegraben.
Und diese Augen starrten Bofur Mitten ins Gesicht. "Ho, ho, ho", gab
die Axt von sich. Bofur klappte die Kinnlade nach unten. "Was?", brachte
er hervor. "Endlich mal wieder jemand mit dem man sprechen kann, endlich
mal ein Gesicht. Auch wenn es so hässlich ist wie deins. Aber was soll's.
Ich bin..."
"...die Axt des Westens", vollendete Halfindel erstaunt den Satz.
"Numm tut's auch. Nennt mich einfach Numm", entgegnete die Axt schnippisch.
Diesmal fiel Halfindel die Kinnlade. Dann stammelte er: "Sie war ein Geschenk
Gil Galads an Aldarion den Seekönig von Numenor. Aber Westernis ging unter
durch die Gewalten Osses." "Stimmt", sagte die Axt, "ich
wurde davongespühlt auf dem Rücken Ulmos und landete hier, bei einem
alten Fährmann. Er war ein bisschen verdreht. Aber sehr lustig war er,
und Witze konnte er erzählen. Ach ja, zum Beispiel den: "Kommen zwei
Elben zum Schlachter..."
"Das wollen wir garnicht hören", unterbrach Halfindel.
Bofur mochte die Axt. "Gut", sagte er, "da sonst niemand mit
dem Gerät hier umgehen kann werde ich sie an mich nehmen." Halfindel
trat herrisch hervor: "Ihr werdet hier garnichts an Euch nehmen. Diese
Axt ist ein altes Erbe der Elbenschmieden und es wäre eine Schande..."
Weiter kam er nicht, denn Bofur hatte sich die Axt geschnappt und hielt sie
mit dem Dorn voran dicht vor Halfindels verblüfftes Gesicht, wobei er grimmig
hoffte der Elb würde eine falsche Bewegung machen. Doch der Elb presste
die Lippen zusammen und zog sich hinter Radagast zurück. "Sonst noch
irgendwelche Einwände", fragte Bofur drohend. Jeder im Raum begann
in irgendeine Richtung zu sehen und mit den Füssen im Boden zu scharren.
"Gut so", grinste Bofur. "He, he, ein Fachmann ist am Werk. Gut
so", sagte Numm, die Axt aus Westernis. "Das wäre ja nun geklärt",
versuchte Radagast zu vermitteln, "dann können wir jetzt auch weitergehen."
Damit verließ er hastig die Fährmannshütte. Als sie wieder draussen
waren sagte Bofur: "Ich werde hinten laufen." Das war Halfindel ganz
recht und er entgegnete: "Und ich gehe ganz vorne mit euch werter Radagast."
Als Bofur hinter den anderen herlief hielt er sich die Axt vors Gesicht und
sagte: "Also Numm, wie war das noch mit den zwei Elben..." Wieder
schritten die Helden stumm dahin und manchmal wurde die Stille von Bofurs kehligen
Gelächter unterbrochen.
Als es Abend dämmerte und unsere Truppe sich müde ihr Lager bereitete,
begann Kandron Holz für das Kesselfeuer zu sammeln. Und erst als der zunehmende
Mond schon hoch am nächtlichen Himmel stand, fiel den Wanderern auf, daß
ihr Koch ein bißchen lange zum Holzsammeln brauchte. Besorgt machte sich
Bofur in der Dunkelheit auf, um Kandron zu suchen. Lange durchstöberte
er das Dickicht, aber ohne eine Spur des Menschen. Plötzlich hörte
er schweres Atmen und leises Rascheln im Gebüsch vor sich. Bofur hielt
die Luft an. Brennend heiß fiel ihm ein, daß er seine neue Axt im
Lager hatte liegen lassen. Der Zwerg spähte mit zusammengekniffenen Augen
in die Dunkelheit. Und ja, da kroch etwas langsam auf ihn zu. Bofur duckte sich
und wartete sprungbereit auf eine gute Gelegenheit. Dann schnellte er vor und
packte mit seinen kräftigen Armen das Wesen am Genick.
"Hiiiiilfe", schrie ihm seine Beute ins Ohr. Bofur ließ locker.
Das konnte ja nur Kandron gewesen sein. "Wo warst du so lange", zischte
Bofur den armen Kandron an. "Ich musste gestolpert und mit dem Kopf an
einen Baum geschlagen sein", winselte Kandron. "Oh mein Gott."
Resigniert trottete Bofur zurück ins Lager. Kandron folgte ihm geräuschvoll.
Als sie das Lager erreichten stand Radagast besorgt da und rang sich zitternd
die Hände. "Wo war er? Was ist passiert?", fragte der Zauberer.
"Der Trottel ist über seine eigenen Füße gefallen",
antwortete Bofur als er sich langsam auf sein Lager sinken ließ. Doch
sofort schnellte er wieder in die Höhe. " Wo ist Numm. Wo ist meine
Axt!", rief er drohend. Halfindel machte ein verblüfftes Gesicht:
"Sie muss gestohlen worden sein." "Nein", quäckte die
helle Stimme Numms aus der Dunkelheit, "Ich bin hier!" Bofur rannte
auf die Stimme zu. Und entdeckte die Axt wie sie da an Halfindels Stute an einem
Riemen hing. Bofur nahm die Axt in beide Hände und schritt langsam auf
Halfindel zu. Dieser wurde kreidebleich und versuchte noch etwas zu stammeln.
Doch beim Anblick der blutunterlaufenen Augen des Zwergen, der ihn wild anstierte,
blieb ihm die Spucke weg. Doch dann krächzte er mit heiserer Stimme: "Radagast?
Radagast!?" Bofur sah Radagast, der gerade einen Schritt nach vorne tat,
wild an: "Laß ihn mir nur eine Minute Radag, nur eine Minute!"
"Schluß jetzt", herschte Radagast den Zwergen an. "Und
auch du Halfindel. Schluß jetzt!" Bofur ließ die Axt sinken
und holte tief Luft. "Das war das letzte Mal, Elb", zischte er in
Halfindels Richtung. Dann setzte er sich wieder und legte Numm neben sich auf
die Decke.
"Wann gibt es endlich Essen", nörgelte Elanor.
Nach dem kargen Essen legten sich alle schlafen. Bofur steckte sich die Axt
unters Kopfkissen und machte es sich gemütlich. Dann faltete er die Hände
über der Brust und schloß die Augen. "Bof?", quickte Numm.
"Hmm?", brummte Bofur. "Will denn keiner Wache halten, Bofur?"
"Numm, die Zeiten haben sich geändert. Es herrscht Friede. Also gibt
es nichts weswegen wir Wache halten müssten. Gut Numm?" Wieder quickte
Numm mit kindlicher Stimme "Schon möglich daß Friede ist, aber
was ist mit dem Kerl der uns die ganze Zeit hinterherschleicht?" Bofur
packte die Axt und sprang auf. "Wo ist er Numm?" "In Richtung
der zwei großen Eichen!", tönte die Axt. Bofur rannte, die Axt
mit beiden Händen schwingend auf die Eichen zu und durchstöberte das
Dickicht. Nichts. "Bist du dir sicher, daß hier jemand war?",
fragte Bofur verzweifelt. "Er ist weg."
Am Morgen berichtete Bofur Radagast von dem Verfolger. Radagast machte ein finsteres
Gesicht "Ich hätte es mir denken können, daß wir verfolgt
werden. Bofur, das war eine wichtige Sicherheitsinformation. Danke." Damit
drehte sich der alte Zauberer um und ging zu seinem Pferd. Bofur stand da und
brummte: "Wichtige Sicherheitsinformation? Ich glaube wir müssen das
selbst in die Hand nehmen, Numm!" "Ja, auf jeden Fall, mein Freund",
quäkte Numm. Ohne daß noch einmal die Sprache auf den Verfolger fiel,
reiste unsere Gruppe wieder ihrem Ziel entgegen. Bofur spähte verstohlen
in die Böschungen und ließ die Axt nicht aus den Händen. Halfindel
feilte sich die Fingernägel beim laufen, Kandron unterhielt sich mit Elanor
über Numenorische Fischspezialitäten und Radagast unterhielt sich
angeregt mit seinem Pferd. Wie immer war also jeder irgendwie beschäftigt.
Aber der Morgen verlief, wie der gesamte Tag auch, vollkommen ruhig. Dies beunruhigte
Bofur nur noch mehr.
Als das Nachtlager aufgeschlagen war ging Bofur noch einmal zu Radagast. "Wir
sollten Nachtwache halten, Radag" "Oh ja", entgegnete Radagast,
"nur, wen schlägst du vor?" Bofur schaute sich die anderen belustigt
an. "Na ja, an Kriegshelden haben wir kein Überangebot, aber ich kenne
keinen von denen richtig. Ich glaube du, als unser Führer, solltest die
Wahl treffen." "Sehr richtig", sagte Radagast, "Ich glaube
Halfindel ist der Kampferprobteste, ausser dir." Dann fügte er noch
stolz hinzu: "Und natürlich mir." Dabei schwang er seinen Zauberstab
durch die Luft und sagte: "Der Kerl kann ruhig kommen." Bofur hielt
also die erste Wache und sorgte dafür, daß jeder seine Waffe griffbereit
hatte. Elanor legte ein wunderschönes Kuzschwert neben ihre Decke, auf
dessen Scheide verziert 'STICH' stand. Kandron packte einen, in grobes Tuch
gehüllten, verrosteten Morgenstern aus und verkündete feierlich, daß
es sich hierbei um ein altes Familienerbstück handele. Halfindel zog sein
hell leuchtendes Langschwert aus der Scheide und schwang es professionell vor
sich her. Bofur war beeindruckt. Soviel hätte er dem Elben nicht zugetraut.
Radagast brauchte keine Waffen, war er doch ein mächtiger Zauberer. Während
seiner Wache fragte Bofur öfters Numm ob er etwas spürte. Doch die
Axt antwortete nur mit "Kaum", oder "Schwach." Die Unruhe
wuchs in Bofur aber nichts geschah und schließlich weckte er müde
Halfindel, legte sich hin und konnte kaum einschlafen als er sich in die Decke
gehüllt hatte. Aber irgendwann schlief Bofur doch ein und träumte
vom Ered Nimrais...
"AAlaaaaarrmm", quitschte die Axt neben Bofurs Kopf. Der Zwerg sprang
behende auf, packte Numm und spähte in die Runde. Halfindel war eingeschlafen.
Mit einem Tritt weckte Bofur ihn, sodaß er umfiel. Halfindel zuckte zusammen,
starrte Bofur böse an, begriff aber sofort die Situation. Leise nahm er
sein Langschwert und sah sich um. "Wo?", flüsterte er. "Wo,
Numm?", flüsterte Bofur.
"Überall", gab Numm noch von sich als plötzlich eine Horde
von dunklen Gestalten aus allen Richtungen aus dem Dickicht brach. Es mußte
knapp ein Dutzend gewesen sein, alle mit Schwertern bewaffnet und mit Leder
gerüstet. Zwei sprangen auf Halfindel zu, doch der Elb ließ sich
fallen, rollte sich zur Seite und schlug beim Aufspringen einem der Angreifer
das Schwert in die Seite. In einer flüssigen Bewegung drehte er sich um
und stieß sein Schwert dem anderen tief in den Rücken. Beide brachen
zusammen. Halfindel duckte sich und erwartete den nächsten Angriff. Bofur
bekam auch Arbeit. Ein Angreifer führte einen beidhändigen Streich
von oben gegen den Zwergen. Dieser riss die Axt hoch und fing den Schlag mit
dem Stiel ab, sodaß die Funken nur so flogen. Dann stieß Bofur dem
Angreifer den Stiel kräftig in den Magen, sprang zurück und ließ
die Axt sausen. Er traf mitten auf die Brust und mit einem Lichtblitz hackte
er durch die Rüstung, durch den Angreifer, wie Butter. Der Schwung hätte
Bofur fast von den Beinen gerissen. Verdutzt sah er auf die beiden zuckenden
Hälften des Toten und auf die Axt. Der Angriff geriet ins Stocken. Alle
starrten auf die Axt. Halfindel, Bofur, der Rest der Angreifer. Dann ergriffen
sie panisch und unter lautem Geschrei die Flucht. Der Zwerg stand nur breitbeinig
da und schüttelte den Kopf: "Was war denn das eben, Numm?" "Ahh,
das war herzerfrischend. Ein guter Streich.", sagte Numm nur und schwieg
den Rest der Nacht, obwohl Bofur die Axt mit Fragen nur so bestürmte. Die
anderen hatten von dem nächtlich Überfall garnichts bemerkt, und sie
staunten nicht schlecht als sie die Leichen, die Bofur in der Nacht zusammengetragen
hatte, entdeckten. Es waren alles Elben, mit etwas Wegzehrung und einer Karte.
Sonst nichts. Verwirrt saßen unsere Helden nun da und wußten nicht
was sie jetzt tun sollten. Da ergriff Bofur das Wort: "Wir werden also
verfolgt. Diese Elben sahen genauso aus wie der, den ich vor meiner Hütte
fand. Was hat das also zu bedeuten. Es hat noch jemand Interesse an dem Buch.
Das steht jedenfalls fest." Radagast rieb sich nervös die Hände
: "Aber wieso? Was könnten diese Elben mit dem Buch vorhaben?"
Betretenes Schweigen. Bofur sprach weiter: "Wir sollten die Wachen verdoppeln,
damit so etwas wie heute Nacht nicht noch einmal vorkommt." Dabei sah er
böse zu Halfindel herüber. Dieser rutschte unbehaglich auf seinem
Schlaflager hin und her. Die Truppe machte sich startklar und setzte ihre Reise
nach Isengart fort. Wie immer waren alle bechäftigt, nur daß jeder
das gleiche tat. Nämlich vorsichtig in die Umgegend spähen, die Waffe
stets griffbereit. Numm tönte einmal dazwischen: "Ich glaube denen
haben wir die Suppe gründlich versalzen, Bof, oder?" Bofur lachte
grimmig: "Vielleicht, Numm, vielleicht."
Der Tag verlief ohne Zwischenfälle und die Spannung hatte sich gelockert.
Es wurde gelacht und geschwätzt, ja es kam eine Art von Kameradschaft auf.
Sogar Bofur sprach mit Halfindel und lobte ihn für seine Aktion mit dem
Schwert. Das Nachtlager wurde wieder bereitet und die Wachen eingeteilt. Die
Erste hielt Halfindel und Elanor, die Zweite Bofur und Kandron. Radagast hielt
sich vornehm zurück und legte sich bald hin. Auch Bofur und Kandron gingen
schlafen und so saßen nur noch Halfindel und die Hobbitfrau am Feuer und
unterhielten sich leise...
Ein Geräusch weckte Bofur aus einem unruhigen Traum. Elanor stand wachsam
am Feuer und hielt ihr Kurzschwert in der Hand. Halfindel war verschwunden.
"Was ist los ?", fragte Bofur. Erschrocken fuhr Elanor herum. "Psst!
Halfindel hatte etwas gehört und durchsucht jetzt das Dickicht", flüsterte
sie. Bofur stand auf, nahm seine Axt und ging zu ihr. "Wo ist er lang gegangen,
Elanor?" Elanor hob die Hand und zeigte auf eine Stelle im Gebüsch.
Und da kam Halfindel mit einem Satz herausgesprungen und fiel dabei fast ins
Feuer. Keuchend sagte er: "Da sind noch viel mehr als gestern. Vielleicht
zwei Dutzend." Bofur zischte zu Elanor: "Wecke die andern!" Dann
winkte er Halfindel und schlich gebückt in die Dunkelheit. "Wo Halfindel?"
Der Elb zeigte mit seinen schlanken Fingern in eine Richtung und siehe, da lagen
die Schurken auf dem Boden und krochen langsam aufs Lager zu. Bofur und Halfindel
zogen sich leise zurück. Elanor, Kandron und Radagast standen beim Feuer
und schauten besorgt. "Ein harter Brocken, ziemlich viele", stieß
Bofur hervor, "aber wir werden vorbereitet sein. Halfindel und ich werden
uns hier dem Kampf stellen, ihr werdet euch verstecken und den Buben in den
Rücken fallen. Toller Plan was?" Damit setzte er sich ans Feuer und
tat so als wäre er bei der Wache eingeschlafen. Halfindel tat es ihm gleich.
Leise verschwanden die anderen in den Schatten der Dunkelheit. Gebannt lauschte
der Zwerg in die Finsternis. Leise konnte er Halfindel atmen hören, und
da setzte auch ein leichtes rascheln von Laub ein. Bofur spannte die Muskeln,
bereit loszuschlagen. Ein Wind kam auf und die Blätter begannen zu rauschen,
immer lauter. Der Wind wurde zu einem Brausen. Bofurs gesamter Körper spannte
sich an, dann sprang er auf, schwang die Axt und schrie: " Jetzt Halfindel!!"
Doch als er sich den Gegnern zuwandte, um sie anzugreifen, blieb er wie angewurzelt
stehen.
Entsetzt erkannte er was nun vor ihm stand. Halfindel ließ das Schwert
sinken. Da standen diese Kreaturen, in schwarze Lumpen gehüllt. Und in
ihrer Mitte stand ein enorm großes Wesen. Pechschwarz, mit Löwenkopf,
in der einen Hand eine Peitsche, in der anderen ein flammendes Schwert.
"Ein Balrog!!!", schrie Halfindel verzweifelt. Bofur sah auch die
anderen drei Gefährten aus dem Dickicht stolpern und abrupt beim Anblick
des Balrogs stehenbleiben. Bofur begann zu kochen, dann flüsterte er: "Gut
Numm, den fällen wir doch genauso wie den Elb gestern. Oder!?!" Grimmig
packte er die Axt, sodaß die Knöchel weiß hervortraten. Dann
schwang er die mächtige Axt über seinem Kopf und schrie: "Khazad,
Khazad!!!" Damit stürzte er sich auf den Dämon. Der Balrog brüllte
auf und schlug mit seiner Peitsche nach dem tobenden Zwerg, doch dieser rannte
brüllend weiter auf ihn zu. Die Peitsche traf Bofur am Arm, zerfetzte seine
leichte Lederrüstung und riss ihm ein Stück Fleisch vom Arm. Mit einem
Schmerzensschrei schlug Bofur zu. Der Balrog versuchte noch sein Schwert hochzureissen
um den Schlag abzuwehren. Numm traf das Flammenschwert kurz überm Heft
und unter einem lauten Donnern brach es ab. Mit geminderter Wucht prallte die
Axt auf den Körper des Balrogs. Dieser schrie nach dem Treffer um so mehr
auf. Dann ging alles ganz schnell. Durch den Mut des Zwergen angespornt stürzten
sich Halfindel und die anderen auf die verdutzten Elben. Doch das bemerkte Bofur
garnicht. Der Speichel rann ihm aus dem Mund als er wieder zu einem Schlag ausholte
"Numm für Khazaddûm!!!" Wieder schlug der Balrog mit seiner
Peitsche zu und traf Bofur beim Ausholen. Ein häßlicher Striemen
zog sich über das Gesicht des Zwergen. Dann flog die Axt nieder doch der
Balrog packte den stählernen Stiel mit seinen klauenbewährten Pranken.
So verharrten die beiden Kämpfer, ringend, keuchend und langsam bog der
Dämon die Axt zurück, drückte Bofur in die Knie. Geifernd ließ
Bofur die Axt los und rammte mit aller Gewalt seinen Kopf in den Bauch des Balrogs.
Dies hatte aber keinen Effekt und der Balrog schleuderte die Axt von sich, packte
den Zwergen an den Armen und hob ihn vor sein Gesicht. Bofur begann zu schwitzen.
Der Balrog brüllte auf und warf den Zwergen kraftvoll weg. Bofur krachte
gegen einen Baum und blieb regungslos im Gras liegen...
Ein stechender Schmerz in der Brust weckte Bofur. Er lag in eine Decke gehüllt
neben einem Baum. Die untergehende Sonne warf den Wald in ein rötliches
Licht. Es war still. Bofur versuchte sich zu bewegen, doch das Stechen in der
Brust wurde dadurch nur noch schlimmer. Bofur stöhnte auf. "Er kommt
zu sich.", hörte er Kandron sanft sagen. Dann beugte sich das faltige
Gesicht des alten Zauberers traurig über ihn. "Na du verrückter,
alter Thor", sagte er freundlich und leise. Unter Schmerzen setzte er sich
auf. Halfindel saß am Feuer und stocherte mit einem kleinen Ast in den
Flammen. Neben ihm lag Numm im Grass und funkelte rötlich. Dann sah der
Elbe auf und lächelte Bofur verzerrt zu.
"Was ist los?", stöhne Bofur. Radagast machte ein trauriges Gesicht:
"Elanor. Sie hat es nicht geschafft." Bofur schwieg. Kandron sprach
weiter: "Als der Balrog dich gegen den Baum geschleudert hatte, legte Radagast
einen Bann auf ihn und sie rangen miteinander. Radagast brach schließlich
der Schweiss aus und es sah aus als würde er verlieren. Da sprang Elanor
hervor und ihr Schwert blitzte in der Nacht. Sie bohrte es tief in das verfluchte
Fleisch dieser Bestie. Es mußte ihn schwer verletzt haben, denn er schrie
fürchterlich auf. Doch dann packte er Elanor und hielt sie vor sich. Sie
zappelte nur noch unter dem festen Griff und versuchte ihn nochmals zu treffen.
Aber der Balrog nahm ihren Kopf in die Hand und drehte ihn einfach um, drehte
ihn einfach so um, Bofur" Dabei brach Kandron in Tränen aus. Bofur
blickte betreten zu Boden. Dann fragte er stockend: "Und dann?" Halfindel
trat vor und sagte: "Eine Sekunde später bohrte ich mein Schwert bis
zum Heft in seinen Rücken, aber ich war zu langsam gewesen. Für Elanor
war es zu Spät. Die feigen Hunde flohen als sie sahen, daß der Balrog
tot war." Damit setzte sich der Elb wieder ans Feuer und warf zornig kleine
Holzstückchen hinein. "Das, das tut mir leid", stammelte Bofur.
"Hier trink das." Kandron hielt einen Becher mit würziger Flüssigkeit
vor Bofurs Nase. Artig trank er ihn leer und verzog das Gesicht. "Oh Mann,
hast du da reingepinkelt?", fluchte Bofur. "Unserem Zwerg scheint
es ja wieder besser zu gehen", lächelte Radagast.
Die Tage vergingen und Bofurs Zustand besserte sich allmählich, ohne daß
die Verfolger sich noch einmal blicken ließen. In der ersten Vollmondnacht
machten sich die Abenteurer wieder auf, nach Isengard. Elanor wurde begraben
und Halfindel hatte Stich an sich genommen um es Sam Gamdschie in Groß-Hobbingen
zu bringen. Von nun an legte der Elb sein Schwert nicht mehr aus der Hand und
sann auf Rache.
So zogen sie also und bald erreichten sie den Zufluß des Mitheithel. Dort
bogen sie nach Süden ab und reisten über die weit gestreckten Wiesen.
Nach etlichen Tagen gelangten sie zum Glanduin. Weit im Osten ragten die hohen
Gipfel der Nebelberge empor. Ehrfürchtig senkte Bofur den Kopf und gedachte
den Zwergen von Moria. Dann sagte er zu Radagast: "Glaubst du, daß
die Zwerge noch einmal Durins Fluch ausgegraben haben?" Der Zauberer antwortete
aber nur scharf: "Sprich nicht von solchen Dingen!" Auf den langgestreckten
Feldern war nichts von ihren Verfolgern zu sehen. Langsam wurden sie wieder
heiter und ihre Niedergeschlagenheit verflog. Sogar Halfindel konnte man zuweilen
lächeln sehen. Während den stillen Tagen ihrer Reise schloss Bofur
mit dem Elben Frieden und man könnte sagen, daß eine Freundschaft
begann. Bofur wollte den trübsinnigen Halfindel ablenken indem er ihm von
den Hallen von Khazad-dûm erzählte. Und dies konnte Bofur Stunde
um Stunde. Im Gegenzug erzählte Halfindel von Doriath und Melian und Beleg
Langbogen, von Beren und Luthien, und von Turin Turambar. Er erzählte von
den Schlachten in denen er mitfocht und dem Untergang der westlichen Lande.
Und so vergaß er seinen Schmerz. Denn ein tiefes Band der Freundschaft
verband ihn mit Elanor und dem Volk der Hobbits, die immernoch im Auenland lebten
und ihren Geschäften und ihrem Geschwätz nachgingen. Die Tage verstrichen,
Bofurs Wunden waren kuriert und Isengart nicht mehr fern. Bald stießen
sie auf die große Nord-Süd Straße und reisten nun bequemer
voran. Dort trafen sie, es war gerade Neumond vergangen, auf eine Händlerkaravane.
Zu Bofurs Freuden waren es Zwerge. Freudig rief er aus: "Hoi, hoi. Bofur,
mein Name. Zu euren Diensten." Die Karavane hielt an und der Händler
stellte sich vor. "Minandil, zu euren Diensten. Möge euer Bart immer
länger werden." Radagast mußte Bofur etwas bremsen, da er sich
sofort mit dem Händler angeregt unterhielt. Nach langem Zwergenspecktakel
kauften sie noch etwas Vorrat und verabschiedeten sich von Minandil. Bofurs
Augen leuchteten: "Ein Händler von Moria. Das Reich beginnt wieder
zu blühen."
Als die Abenddämmerung aufzog erreichten sie den äusseren Ring von
Isengart. Radagast rieb sich wie immer die Hände. "Morgen werden wir
die Gastfreundschaft des Orthanc geniessen." Halfindel sah besorgt auf,
dann sagte er nachdenklich: "Und was dann?" Der Zauberer runzelte
die Stirn. "Wir studieren die Archive und dann werden wir wissen was zu
tun ist." Müde schlugen sie ihr vorerst letztes Lager auf und Bofur
übernahm die erste Wache. Ihre Verfolger hatten sich seit dem Tod des Balrogs
ferngehalten. Doch auch in dieser Nacht geschah nichts. Am frühen Morgen
machten sie sich auf, die Pforte von Isengart zu erreichen. Als die Sonne den
höchsten Punkt des wunderbar blauen Himmels überschritten hatte, fanden
sie die Pforte des Turms von Isengart. Sie schritten den Weg, der von Sprößlingen
des Weißen Baumes gesäumt war, entlang. Kein Mensch war hier zu sehen.
Dies war ungewöhnlich, da der Turm zu Aragorns Lebzeiten wieder aufgebaut
und als Archiv genutzt wurde. Dann fanden sie aber doch noch jemanden. Eine
Wache lag mit ausgebreiteten Armen quer über dem Weg. Halfindel stürtzte
hervor und drehte ihn um. Sein Gesicht war verstümmelt und schwarze Pfeilspitzen
steckten in seiner Brust. Radagast wurde kreidebleich. Halfindel stand wieder
auf und zog sein Schwert, wobei er sich aufmerksam umsah. Auch Bofur packte
seine Axt fester und spähte in die Runde. Nach einer Weile sagte er: "Da
muss jemand vor uns dagewesen sein." Sie hasteten weiter und fanden noch
mehr erschlagenen Wachen. Schließlich kamen sie zum Orthanc. Wie ein drohender
Finger erhob er sich schwarz aus der Erde. Und wie er hier in der Stille stand,
verhieß er nichts Gutes. Vorsichtig stieß Bofur die Tür, die
nur angelehnt war, auf. Selbst auf der Treppe lag eine Wache des Turms. Kopfüber
war sie die Stufen heruntergefallen und starrte mit aufgerissenen Augen ins
Leere. Seine Lippen waren grünlich verfärbt und lächelnd war
er gewiß nicht gestorben. Bofur nahm dies stumm zur Kenntnis und stieg
die Stufen hinauf. Halfindel folgte dicht hinter ihm. Sie kamen im unteren Archiv
an und ein Bild der Verwüstung bot sich ihnen. Regale waren umgestossen,
Aufzeichnungen zerrissen und verbrannt. Auch im zweiten Stock und im Hauptarchiv
sah es ähnlich aus. Radagast rang sich nervös die Hände und sagte:
"Wir werden hier nicht mehr finden wonach wir gesucht haben. Dessen bin
ich mir sicher. Unsere Feinde haben gründliche Arbeit geleistet. Jetzt
müssen wir nach Minas Tirith in Gondor gehen. Vielleicht werden wir dort
noch finden wonach wir suchen. Wenn jemand jetzt umkehren möchte, so kann
ich es ihm nicht verdenken. Ich werde allerdings auf jeden Fall weitergehen."
Radagast drehte sich mit wehender Robe um und stieg die Treppen wieder hinab.
Bofur sah Halfindel in die Augen und sagte grinsend: "Ich glaube wir müssen
den alten Irren noch ein bischen begleiten." Halfindel lächelte und
sagte sanft: "Das glaube ich auch, mein Freund."
Zu Kandrons entsetzen wollte nun niemand mehr auf das Reiten verzichten. Halfindel
fand die Lösung. Er ließ Kandron auf seinem Pferd reiten und nahm
das andere. Halfindels Stute trug Kandron federleicht. Wie der Wind ritten sie
und passierten die Pforte von Rohan und die Furten des Isen am Abend noch. An
der Reiterstraße zu Helms Klamm rasteten sie. Bofur rieb sich den Rücken
und sagte:" Zwerge sind nicht als Reiter geschaffen. Ich glaube wenn ich
das Pferd tragen würde täte mir mein Rücken weniger weh!"
Radagast stand am Feuer und rieb sich die Hände. "Morgen Abend werden
wir in Edoras ankommen. Dort kannst du in einem richtigen Bett schlafen. Ich
werde König Eomer um ein paar schnellere Pferde bitten, sodaß wir
den Ered Nimrais vielleicht in einer Woche umgangen haben." Bofur leuchteten
die Augen. "Ered Nimrais? Könnten wir nicht über ihn hinüber
reiten? Er ist meine Heimat, vor dem Ringkrieg. Ich hatte dort meine Kindheit
verbracht." Radagast drehte sich zornig um. "Du Narr. Ich glaube nicht,
daß wir auf einer Vergnügungsreise sind." Halfindel beugte sich
zu Bofur herab. "Wenn unser Auftrag erledigt ist, werde ich mit dir dort
hinreiten und deine Heimat besuchen, wenn du magst." Bofurs Augen leuchteten.
"Natürlich, Hal. Ich werde dir die Grotten des Weißen Gebirges
zeigen. Sie sind fast so schön und gewaltig wie die in Moria." Radagast
schüttelte den Kopf.
Als die Sonne am nächsten Abend unterging tauchte sie die goldenen Hallen
von Edoras in einen roten Glanz. Vom Tore wurden sie sofort zu Eomer, dem Herrn
der Mark geführt. Dieser erhob sich von seinem Thron und eilte Radagast
entgegen. "Ich grüße euch, werter Radagast und auch eure Begleiter."
Sie setzten sich an einen langen Tisch und ein Diener brachte Wein und Gebäck.
Radagast sprach eindringlich mit dem König über ihre Reise. Dieser
machte ein verwundertes Gesicht. "Die Schatten Saurons waren lange. Wahrlich
Radagast, ich werde euch die besten Pferde geben die meine Stallungen beherbergen.
Doch zuerst lasst uns Speisen."
Während dem Essen sprach niemand ein Wort, waren doch die aufgetragenen
Speisen zu köstlich, um sie durch Gerede kalt werden zu lassen. Nach dem
Essen saß jeder zutiefst Zufrieden auf einem Stuhl und hielt sich den
Bauch. Bedauernd, daß sie am nächsten Morgen schon früh wieder
aufbrechen wollten. Eomer zog sich bald mit Radagast zurück und die anderen
gingen schlafen. Als die Sonne aufging brachte man ihnen drei frische Pferde.
Halfindel wollte sich von seiner Stute nicht trennen. So ritten sie die große
Weststraße entlang. Stets in Eile. Und hielten wenig Rast. Bofur klagte
über seinen schmerzenden Rücken. Nach drei Tagen überquerten
sie die Fennmark und den Mering-Strom, passierten den Firienwald und kampierten
in Calenhad, Erelas und Eilenach im Druadan-Wald bevor sie die Brücke von
Osgiliath erreichten. Am selben Tage kamen sie nach Minas Tirith. Die Sonne
verschwand schon hinter dem Schattengebirge als sie den ersten Ring der Stadt
betraten. Eine Wache des Turms führte sie hinauf zum Sitz von Elessar,
dem Elbenstein, König von Gondor, Erbe von Elendil. Dieser erging sich
gerade im Garten der Häuser der Heilung und erfreute sich am Sonnenuntergang.
Freudig war sein Gesicht als er Radagast erkannte. "Radagast! Was führt
euch denn so weit in den Süden? Kommt setzt euch zu mir. Wer sind denn
eure Begleiter. Euch kenne ich schon, Halfindel. Fürst vom Taur-En-Daedelos,
des fernen Düsterwaldes." Bofur verbeugte sich tief und sagte ehrerbietig:
"Bofur, Bofirs Sohn, Sohn von Bombur. Zu euren Diensten." Elessar
lächelte und entgenete: "Möge euer Bart immer länger werden."
Bofur strahlte. Dann trat Kandron hervor und sagte:"Mein Name ist Kandron,
Kalahons Sohn." Elessar neigte den Kopf. "Es ist mir eine Ehre."
Kandron wurde rot. Dann stand Elessar auf und sagte: "Sprecht denn nun.
Was führt euch zu mir. Sicherlich kein Höflichkeitsbesuch, oder?"
Radagast räusperte sich und rang mit den Händen. "Saurons Macht
ist noch nicht gänzlich von Mittelerde verschwunden. Bofur hier fand ein
Buch welches sein indirektes Werk ist und eine große Gefahr für uns
darstellt. Wir ritten nach Isengart um in den Archiven Rat zu suchen, aber die
Wachen waren alle tot, das Archiv verwüstet." Der König drehte
sich um und sagte: "Ich weis." Radagast war Überrascht. "Woher,
oh König wisst ihr das? Wir sind auf dem schnellsten Wege von Isengart
hier her geritten." Elessar lächelte und sagte: "Aber Radagast.
Ihr als Ratsvorsteher müsstet das aber wissen. Die Macht der Palantiri."
Der alte Zauberer sah verstört zu Boden. "Ach ja. Die Palantiri hatte
ich ganz vergessen. So wisst ihr auch mit wem wir es zu tun haben?" Elessar
schüttelte den Kopf. "Nein. Der Wächter der Sehenden Steine sprach
gerade mit Ekladon, dem Verweser des Orthanc als plötzlich der Kontakt
abrach. Aber er konnte noch einen Schmerz auffangen, der ihm signalisierte daß
etwas nicht stimmte. Wir wissen also genauso wenig wir ihr, werter Radagast."
"So müssen wir also in den Archiven von Minas Tirith Rat suchen.",
sagte Radagast. Elessar ging davon und sagte: "So lasst uns den Hüter
der Schriften aufsuchen." Die Gruppe folgte dem König, der nach einiger
Zeit vor einem großen, prächtigen Gebäude halt machte. Die Wachen
traten beiseite und er schritt durch die Tür. Die Gruppe ging ihm hinterher.
Elessar sprach mit einem jungen Mann, dieser nickte eifrig und rannte eine Treppe
hinab. Einige Minuten waren vergangen, als ein alter gebeugeter Mann die Stufen
hinaufgestiegen kam. Er stellte sich als Krombadal, Hüter der Schriften
vor. "Ihr habt nach mir verlangt, mein König?" "Ja, meine
Freunde hier suchen nach Aufzeichnungen betreffend der Bibel Saurons."
Krombadal sagte: "So folgt mir denn." Langsam stieg er wieder die
Treppe hinab und sie folgtem ihm wie gehießen. Vor einer verstaubten Tür
machte er halt und schloß sie auf. "Hier werdet ihr finden wonach
ihr sucht. Und wenn nicht, so werdet ihr es nirgendwo finden." Dann ging
er den Gang weiter und verschwand hinter einer Ecke. Der Raum war vollgestopft
mit Schriftrollen und Büchern und losen Pergamenten. Bofur pfiff bei diesem
Anblick durch die Zähne. "Na dann mal ran."
Halfindel studierte alle elbischen Aufzeichnungen, Kandron alle in Westron geschriebenen,
Bofur die wenigen in Kazalith und Radagast übernahm alles was die anderen
nicht lesen konnten, weil sie in einer längst vergessenen Sprache verfasst
waren. Nach vielen Stunden saßen sie erschöpft beisammen und zogen
Bilanz. Aber keiner konnte etwas über die Möglichkeit der Zerstörung
des Buches herausfinden. Radagst war verzweifelt. "Wie sollen wir denn
bloß wissen wie wir dieses unheilvolle Buch vernichten können? Eine
Möglichkeit wüsste ich noch. Wir könnten Krombadal fragen. Er
kann es vielleicht wissen. Als Hüter der Schriften weis er viel. Auf einen
Versuch kommt es jedenfalls an." Sie suchten die Kammer von Krombadal und
klopften an. Niemand antwortete. "Vielleicht schläft er. Es ist schließlich
mitten in der Nacht.", sagte Halfindel. "Du hast Recht.", sagte
Radagast, "Wir werden Morgen nach ihm schicken lassen."
Sie begaben sich ins Gästehaus und schliefen bald erschöpft ein. Am
Morgen schickte Radagast als erstes einen Boten zu Krombadal. Doch als dieser
nach geraumer Zeit nicht zurück kam machte Radagast sich selbst auf den
Weg, Krombadal zu suchen. Er fand das Archiv in heller Aufregung. "Was
ist denn hier los.", sagte er verärgert. Eine Wache antwortete ihm:
"Krombadal, der Hüter, ist heute Nacht gestorben. Vermutlich vergiftet."
Radagast rannte zu der Kammer und drängte sich durch die Wachen. Krombadal
lag zusammengekrümmt auf seinem Bett. Seine Lippen waren Grünlich
verfärbt und lächelnd war er gewiß nicht gestorben. Ein umgstürzter
Becher lag auf dem Boden. Radagast wandte sich ab und eilte zurück zum
Gästehaus um den anderen von dem Geschehenen zu berichten. Verzeifelt sahen
sie sich gegenseitig an. Nach einer Weile sagte Radagast: "Ich glaube wir
haben verloren. Wir werden nicht mehr herausbekommen wie wir das Buch vernichten
können." Alle schwiegen und der Wind blies kalt durch das Fenster
an diesem verfluchten Morgen.
- ENDE DES ERSTEN TEILS -