Cobra MK-7

Es war noch früh am Abend, die Sonne stand noch nicht all zu tief an diesem herrlichen Sommertag. Als es mich plötzlich packte, dieses Verlangen mit meinem Wagen durch die Landschaft zu brausen. Also rief ich die hübsche Bedienung mit den ewig langen Beinen und zahlte meinen Cuba Libre. Dann verließ ich das Cafe, in dem ich mich, wenn ich einmal Zeit hatte, aufhielt. Die Sonne dieses Spätsommers wärmte mein Gesicht als ich auf den Wagen zuschlenderte. Da stand er, einer der letzten Cobra MK-7. Feuerrot, flach wie eine Flunder, Cabrio. Das ultimative Automobil. Als ich mich tief in den Ledersitz fallen ließ bekam ich erst die richtige Lust auf's Fahren. Ich startete und das helle, schnurrende Pfeifen des Zwölf Zylinders ließ mein Herz höher schlagen. Ich nahm Kurs Richtung Wüste, um dort alles aus dem Wagen herauszuholen. Ich ließ die Lichter der Stadt bald hinter mir und mißachtete jegliche Geschwindigkeitsvorschrift. Jetzt fauchte der Motor laut auf und der Sommerwind blies mir durch die Haare. Eine halbe Stunde fuhr ich so in den Sonnenuntergang. Dann hielt ich am Straßenrand um eine Zigarette zu rauchen. Mit einem Brabbeln erstarb der Motor. Ich fühlte mich großartig. Kaum zu glauben daß ich mich vor kurzem noch so elend fühlte. Ja, mir war ständig Übel und ich hatte Konzentrationsschwächen. Als ich dann den Arzt aufsuchte sagte er mir ich sei total überstresst. Ich nahm also Urlaub und verließ meine Dozentenstelle an der Bostoner Universität. Schon am ersten Tag nahm ich die Autoschlüssel von der Wand. Als ich dann im Cobra saß ging es mir schon besser. An all das dachte ich als ich da saß, rauchte und mit dem Schlüsselanhänger spielte. Er war wie ein Kobrakopf geformt. Lauernd, in Angriffsstellung, aus purem Gold, mit Rubinen als Augen. Er war ungeheuer Wertvoll und ich erinnerte mich, wie ich ihn damals erwarb. Es war in Radschapure, in Indien. Dort fiel er mir auf dem Bazar sofort auf und ich fühlte mich magisch davon angezogen. Der Alte, der ihn anbot wußte offensichtlich nichts von dem Wert des Stücks, denn er verlangte einen Spottpreis, den ich gerne bezahlte. Seitdem trug ich ihn ständig an einer Kette um den Hals. Und jedesmal wenn ich mit ihm in der Hand spielte erinnerte ich mich an diese Geschichte und zugleich meinen letzten Urlaub. Denn als ich wieder Zuhause war ging es für mich steil Bergauf. Staatszuschüsse, Vortragsreisen, Bestseller. Und ich konnte meine lang ersehnte Südamerika Expedition durchführen. In Brasilien dann fand ich den Cobra. Ich war gleich in ihn verliebt. So erwarb ich ihn für eine schöne Stange Geld und meine Kobrakette wurde zum Schlüsselanhänger. Das war vor vier Monaten. Doch als ich wieder zuhause war und in der Arbeit ertrank fühlte ich mich immer schlechter. So saß ich über dem Computer und war unzufrieden. Und betrachtete lange verträumt den Autoschlüssel der da jetzt schon so lange unbenutzt an der Wand hing. Doch jetzt, wie ich so im frisch polierten Wagen sitze, fühle ich mich als ob ich die Welt erobern könnte. Ich schnippte die Kippe in hohem Bogen aus dem Wagen in den dunklen Sand, startete den Motor und brachte ihn auf Touren. Wie ein Pfeil schoss ich wieder dahin in der Dämmerung. Ich schaltete das Licht ein und als dann gleißend hell die Düsterniss zerschnitten wurde tauchte eine eine Gestalt im Lichtkegel auf. Sie stand einfach nur da und starrte mich an. Ich trat mit aller Kraft auf die Bremse. Doch der Wagen schlingerte, brach aus und überschlug sich mehrmals. Der Wüstensand kam rasend schnell auf mich zu. Dann wurde es Dunkel.
Als ich aufwachte erkannte ich, daß ich ein paar Meter neben dem total zerbeulten Auto lag. Ich musste heraus geschleudert worden sein. Stöhnend stand ich auf. Alles tat mir weh. Dann stolperte ich auf den Cobra zu. Er sah fahrtüchtig aus. Ich sprang hinein um von hier wegzukommen. Doch der Schlüssel fehlte. Fluchend krabbelte ich also wieder aus dem Auto und suchte im Wüstensand. Doch er war unauffindbar. Mir war heiss und ich hatte Durst. Die Sonne brannte sich mir in die Augen. Ich setzte mich wieder hinter's Steuer und grübelte über meine Lage nach. Plötzlich hörte ich ein zischendes Geräusch neben mir. Ich fuhr herum. Da saß ein uralter Knacker mit abgerissenen Klamotten und schmuddeligen Turban neben mir im Wagen. Ich war so überrascht, daß ich erst einmal garnichts sagen konnte. Er sagte aber auch nichts. Starrte mich nur hämisch an und lachte krächtzend. Als ich mich endlich gesammelt hatte und etwas sagen wollte, riss er etwas aus seiner Tasche und hielt es mir vor die Nase. Ich erkannte sofort meinen Kobra Schlüsselanhänger. Als ich langsam meine Hand nach ihm ausstreckte begannen die Rubinaugen zu glühen. Ich schreckte zurück. Die Kobra wuchs, fing an sich zu bewegen und schlängelte sich um die Hand des Alten der breit grinste. Mit einem Satz war ich aus dem Auto raus und wollte davonlaufen, aber ich konnte mich nicht mehr kontrollieren und fiel wie gelähmt zu Boden. Der Alte stieg langsam aus und ließ die Kobra zu Boden fallen. Sie kroch auf mich zu und erhob sich hoch über mich. Ich konnte mich nicht rühren. Da sagte der Alte etwas: "Tribut!" Er beugte sich tief zu mir herab und flüsterte: "Kwanjyaa gibt viel, aber sie verlangt auch! Jetzt will sie ihren Tribut." Dann richtete er sich langsam auf, musterte mich noch einmal kurz und verschwand in der gleissenden Sonne. Die Kobra senkte ihren Kopf mit den Glühend roten Augen über mich. Dann bohrte sie ihre langen, spitzen Zähne langsam in meinen Hals. Ein brennend heisser Schmerz rannte mir den Rücken hinunter. Ich spürte wie die Schlange mir das Blut aus den Adern sog. Es wurde mir immer kälter und langsam schwanden mir die Sinne. Ich erinnere mich an die vergangenen Tage. Bilder ziehen an mir vorbei. Bilder aus meiner Jugend, aus meiner Kindheit. Dann rücken auch diese Bilder in weite Ferne bis eine kalte Dunkelheit mich umschliesst. So Finster daß kein Licht sie erhellen könnte. Es ist vorbei...