Die Priester Von Anakonn

Grell leuchteten die Scheinwerfer auf und eine mißtönende Sirene begann zu heulen. Smith fluchte leise, ließ aber nicht davon ab die Kombination des Tresors weiter zu knacken. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn als er das Stetoskop wieder an die Safetür presste. Er hätte diesen Auftrag nicht übernehmen sollen. Aber was soll's. Schließlich war die Bezahlung zu verlockend gewesen. Und bisher war ja auch alles glatt gegangen. Der Typ der hier wohnt, irgend so ein Wissenschaftler Namens Bennet, hatte es nicht so gut mit dem Einbrecherschutz gehalten. Die lärmende Sirene machte es Smith noch schwieriger das Klicken des Schlosses zu hören. Klick. Klick. Offen! Langsam zog Abraham Smith die Safetür auf. Da lagen sie, die Dokumente, auf die sein Auftraggeber so scharf war. Leise konnte man das plärren einer Polizeisirene auf der Straße näherkommen hören. Hastig packte Smith die Papiere in seine Tasche. Dann rannte er zur Tür um in der Nacht zu verschwinden. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Auch ein Tritt änderte nichts daran. Draussen hörte man das Quitschen von Reifen. Die Polizei war schneller da als Abraham gedacht hatte. Ein trappeln auf dem Gehweg, ein rütteln an der Tür. "Wenigstens kommen die Cops auch nicht rein, wenn ich schon nicht rauskomme", dachte Smith. Er sah sich ruhig um und achtete nicht auf die Standardrufe der Officers draußen. Smith war ein Profi. Also die Lage sondieren. Als erstes entdeckte er die Küche. Uninteressant. Dann ein Arbeitszimmer. Schon besser. Vielleicht könnte man sich hier einen Bonus verdienen. Schnell wühlte er in den Stapeln von Blättern herum und packte ein paar ein. Dann sah er die kleine Stahltür mit dem großen Metallschloß.
Sehr Interessant. Um das Schloß jetzt zu knacken fehlte ihm die Muße. Also zog er seinen Colt Combat hervor und... Naja, das Schloß war jedenfall hin und Smith stieß die Tür auf. Der Raum der da finster vor ihm lag sah wie ein Labor aus. Schade, aber Labors interessierten ihn garnicht. Smith wollte gerade die Tür wieder zuwerfen, als ihm ein krachendes Geräusch signalisierte, daß die Cops die Nerven verloren und die Tür eingedroschen haben. "Shit", stieß er noch hervor und tauchte in die Düsternis des Labors. Mit lautem Getrampel durchsuchten die doofen Cops das Haus. Smith tastete sich derweil seinen Weg durchs Labor. Es roch modrig. Die Tür wurde langsam aufgestoßen und die Smith & Wesson eines Stadtbullen kam zum Vorschein. "Hoher Besuch", dachte Smith, der gerade einen großen, hölzernen Schrank entdeckt hatte. Das fettige Gesicht des Stadtbullen folgte der Kanone und dann schob sich auch sein fetter Bauch herein. Schwer keuchend spähte er im Raum herum und fummelte an der Wand . Smith öffnete leise die schwere Schranktür. Klack. Das Licht ging an. Smith riss den Fünfundvierziger heraus, ballerte Richtung Tür und sprang Kopfüber in den voluminösen Schrank. Als er drinnen war fiel ihm auf, wie hirnrissig diese Aktion von ihm war. Jetzt saß er in der Falle. Also kauerte er sich hin und brachte die Pistole in Anschlag. Die Haut teuer verkaufen. Schließlich war er ja ein Profi. Aber niemand kam um die Tür des Schranks zu öffnen. Smith wartete. Stille. Leise schob Abraham die Tür auf. Es war wieder dunkel und der modrige Geruch schlug ihm wieder ins Gesicht. Dann verließ er vorsichtig den Schrank um sich seinen Weg zur Tür zu tasten. Aber der Raum schien größer zu sein als er es in Erinnerung hatte. Dann stieß er auf den kalten Stein der Wand. Smith tastete weiter. Als er aber die Ecke des Raumes erreicht hatte hielt er inne. Wo war er. Der Raum war ja völlig leer. Kein einziger Apparat stand mehr hier. Smith fingerte ein Streichholz aus der Hosentasche und entzündete es am Fingernagel. Was er im fahlen Licht erkennen konnte war, daß er gewiß nicht mehr im Labor war. Er befand sich vielmehr in einem kargen Raum, mit Steinfußboden und Felswänden, dessen einziges Inventar der große Holzschrank war. Dann entdeckte er noch ein zweitüriges Portal. Verwirrt öffnete Smith es. Draussen war ein langer, von Fackeln erleuchteter Gang, der sich endlos in beide Richtungen zog. Smith kratzte sich den Kopf. In der Ferne war ein monotoner Gesang zu hören, der anschwoll und wieder leiser wurde, aber nie ganz verstummte. Smith zog die Pistole und schlich den Gang vorsichtig entlang. Der Gesang wurde langsam lauter. Das kleinste Geräusch hallte an den kahlen Wänden wieder und Smith atmete lang und tief, bis er an eine eisenbeschlagene Tür gelangte hinter der der dumpfe Gesang herzukommen schien. "Fast hört es sich wie Psalme an", dachte sich Abraham. Er ergriff den Türriegel, schob ihn beiseite und öffnete die Tür einen Spalt breit. Durch den Spalt konnte er mehrere Männer erkennen, die in mattgrünen Umhängen vor einem mit Blättern und Zweigen geschmückten Altar knieten, sangen und die Handflächen kreisförmig aneinander rieben. Darauf war Abraham gewiß nicht gefaßt und so stand er vor dieser fremdartigen Zeremonie und lauschte dem Gebet. Lange, dicke Räucherstäbchen standen in Tonvasen kreisförmig um den Altar und tauchten den Raum in dichten Dunst. Der Geruch von Laub biß sich ihm in die Nase und er mußte nach Luft schnappen. "Wo bin ich denn hier herein geraten", dachte sich Abraham. Aber er hatte ja noch seinen Colt. Also stieß er einfach die Tür mit dem Fuß auf, richtete den Fünfundvierziger in den Raum und rief: "Hey ihr Freaks!!" Die 'Freaks' brachen ihren Gesang abrupt ab und fuhren herum. Alle diese Menschen hatten grüne Augäpfel und aschfahle Haut. Smith war beunruhigt und fuchtelte mit der Pistole herum. Einer der Männer stand auf und ging mit bedächtigen Schritten auf ihn zu. Dann hob er anmutig die Hand vor seine Brust und sprach kurze, abgehackte Worte, die Smith nicht verstand. Doch was sie bedeuteten bemerkte er sofort. Er ließ nämlich die Pistole fallen und stand starr da. Der Laut, der die Waffe verursachte als sie auf den kahlen Steinboden prallte zog ein schmerzliches Echo in seinen Ohren. Der Mann im Umhang trat ganz dicht vor Smith hin und sah ihm tief in die Augen. Auch seine Iris, seine Pupillen waren von einem satten Grün. Abrahams Blick verschleierte sich mehr und mehr und er versank in diesen durchdringenden grünen Augen. Ein Gedanke formte sich in seinem Kopf: "Frieden, Frieden, FRIEDEN..." Alles ist angenehm und warm. Die Blumen blühen, Bienen summen, der Wind weht über die Gräser. Es ist schön. Und da steht dieser grüne Mensch vor mir, der freundlich lächelt. Dann dreht er sich um und winkt. Die Vögel sangen nie schöner. Da ist wieder der grüne Mann, er winkt wieder. Neben ihm steht ein Stuhl im Grass. Merkwürdig, dieser Stuhl paßt garnicht hier her. Der Mann winkt mich zu sich. Ich setze mich und er legt mir freundlich die Hand auf die Schulter. Da kommen ja noch mehr dieser Männer. Sie gesellen sich zu uns. Einer trägt einen Eimer, voll mit Wasser, und stellt sich vor mich. Ist das ein Gärtner? Oh wie schön, er will die Blumen gießen. Er packt den Eimer mit beiden Händen, holt schwungvoll aus und schüttet mir das Wasser ins Gesicht."
Smith kam verdattert zu sich. Er saß auf einem Stuhl in einem kargen Raum. Vor ihm stand noch der Mann mit dem Eimer und er spürte den festen Griff eines anderen auf seiner Schulter. Benommen schüttelte Smith sich das Wasser aus den Haaren. Dann trat der Eimerträger beiseite und hinter ihm kam ein breiter Tisch zum Vorschein. Hinter ihm saß eine junge Frau die Smith amüsiert musterte. Dann setzte sie sich auf und sagte gebrochen: "Willkommen im Tempel der Priester von Anakonn. Ich bin Ninobree, Atjadjii des Kjuon von Anakonn. Ich spreche deine Sprache. Die anderen können dich nicht verstehen." Smith sah sich um. Die Priester standen aufrecht um ihn und beobachteten ihn aus den Augenwinkeln. "Ich weis garnicht wie ich hier her gekommen bin.", sagte er stotternd. Ninobree lächelte verständnisvoll: "Doktor Bennet hat sie doch geschickt. Erinnern sie sich? Sie sollten uns etwas mitbringen. Wo ist es. Erinnern sie sich nicht?" Smith schüttelte unsicher den Kopf. Aber Ninobree ließ nicht locker. "Wie heißen sie denn. Erinnern sie sich an ihren Namen." "Abraham Smith ist mein Name.", sagte Smith. Die junge Frau lächelte: "Gut, Ebremsmis, sie heißen also Ebremsmis. Was wissen sie noch?"
"Ich ging in einen großen Schrank und als ich wieder raus kam war ich hier." Ninobree nickte wissend. "Und dann war ich auf einer Wiese. Und jetzt bin ich naß und hier. Aber niemand hat mich geschickt." Ninobrees lächeln verschwand: "Das heisst Doktor Bennet weiß gar nicht, daß sie hier sind." Smith lachte: "Genau Süße. Das ist genau das, was ich die ganze Zeit sagen will." Die hübsche Frau erhob sich von ihrem Sitz und sagte zu den Priestern etwas. Diese packten Smith und zerrten ihn unter lautem Protest aus der Kammer. Als er sich zu heftig wehrte nahm einer der Priester seinen Kopf zwischen die Hände und sah ihm tief in die Augen. Abrahams Körper entspannte sich und er sackte zusammen. Das grüne Flimmern vor seinen Augen ebbte nach einiger Zeit ab und er konnte erkennen wo er sich befand. Es sah wie eine kleine Zelle aus. Ein schmales, hohes Fenster ließ etwas Licht herein. Smith setzte sich stöhnend auf. "Willkommen im Club.", hörte er jemand in seinem Rücken sagen. Langsam drehte er sich um. Ein alter Mann kauerte auf einer Liege und musterte Smith. Smith schüttelte den Kopf um ihn wieder klar zu bekommen und sagte dann: "Wo bin ich eigentlich hier, verdammt." Der Mann auf der Liege lachte leise und sagte: "Na, auch von Bennet, dem miesen Schleicher, reingelegt worden, was?" Smith sprang auf den Mann zu, packte ihn mit beiden Händen am Kragen und schrie: "Ich habe dich gefragt wo ich hier bin." Der Alte strampelte und sagte: "Schon gut, schon gut. Wir sind hier im Tempel der Priester von Anakonn. Und diese Räumlichkeit ist das 'Wartezimmer'. Hier wartest du, bis man dich abholt und dann kommst du nicht wieder zurück." Smith schüttelte den Alten weiter. "Wohin abgeholt, los, spuck es aus." Aber der Alte packte Abrahams Gelenke, drehte sie mit viel Kraft um und sprang ihm auf die Brust. Dann beugte er sich über den Wehrlosen und flüsterte : "Man hat mich noch nicht abgeholt. Also weiß ich es nicht." Damit ließ er Smith los und setzte sich wieder gemütlich auf seine Liege. Smith rappelte sich auf und sagte: "Was ist mit Bennet?" Der Alte legte die Arme hinter den Kopf und sagte: "Er hat mich rübergeschickt. Ich sollte nur etwas abliefern und dann wieder durch den Schrank zurück. Aber ich habe denen wohl gefallen. Jetzt bin ich hier, im Wartezimmer. Gestern waren wir noch zu zweit, aber Nicholls haben sie abgeholt. Er kommt nicht mehr zurück. Der nächste bin ich. Heute Abend vielleicht.", dabei sah er aus dem Fenster auf die untergehende Sonne, "Sie werden kommen. Bald."
Die Sonne war fast am Horizont verschwunden als die Tür aufgeschlossen wurde. Smith sprang von seiner Liege auf. Zwei grüngekleidete Priester kamen herein, beachteten ihn garnicht und packten den Alten, der wissend aufgestanden war. Sie nahmen ihn in ihre Mitte und eskortierten ihn aus dem Raum. Da sprang Smith nach vorne und trat dem einen in den Unterleib und dem anderen verpasste er einen Hacken, daß er rückwärts umkippte. "Los alter Mann, wir machen eine Fliege.", brüllte er dem verdutzten Gefangenen zu. Dann rannte er hinaus. Ein langer Gang zog sich in beide Richtungen. Smith rannte rechts und suchte das große, zweitürige Portal. Der Alte kam keuchend hinter ihm her. Dann entdeckte Smith das Portal. Er riss es auf und stürzte in den Raum. Dabei wäre er fast über einen Priester, der mit verschränkten Beinen auf dem Boden saß, gestolpert. Taumelnd ließ Smith sich auf den überraschten Priester fallen und hämmerte ihm die Fäuste ins Gesicht. Der Priester lag bewußtlos am Boden. Dann rannte Smith wieder zum Portal um zu sehen wo sein Zellenkamerad blieb. Doch als er den Kopf hinausstreckte sah er über ein Dutzend Priester den Gang entlang rennen. Laut schreiend kamen sie auf ihn zu. Smith hechtete durch den Raum auf den Schrank zu und zerrte an der Tür. Sie klemmte. Verzweifelt riss er an ihr und in den Augenwinkeln sah er, daß die Priester den Raum erreicht hatten. Ein spitzer Wurfstern schlug in das Holz der Tür, dicht neben seinem Kopf. Mit einem ruck ging die Tür auf und Smith sprang Kopfüber hinein, taumelte weiter und ließ sich gegen die Schrankwand krachen. Diese brach splitternd auseinander und Smith fiel auf der anderen Seite wieder hinaus. Grelles Licht blendete seine Augen. Er stieß ein Regal mit Reagenzgläsern um. Dann rappelte er sich auf. " Stehenbleiben Arschloch.", hörte er jemanden rufen. Reflexartig schnellte er herum und erkannte den fetten Zivilbullen auf den er geschossen hatte. Im drehen griff er sich an die Seite um seinen Colt zu ziehen. Dann bemerkte er aber, daß er ihn verloren hatte. Doch der Zivilbulle wußte das nicht und verlor die Nerven. Smith hörte zwei Schüsse. Etwas kleines traf seinen Körper und ein lähmendes Gefühl durchzuckte ihn. Dann spürte er einen rasenden Schmerz im Bauch. Ganz langsam blickte er an sich hinunter. Seine Hände hielten zitternd den Unterleib. Blut tropfte an ihnen herab. Heiß lief es ihm über die eiskalten Finger. Die Knie versagten ihm und er sackte zusammen. Er wollte sich noch halten, aber er griff ins Leere. Hart schlug er auf dem Boden auf. Der Zivilbulle schlich auf ihn zu und zielte seine Kanone auf Abraham. Dann hörte Smith ihn verzerrt sagen: "Kennen sie ihn Doktor Bennet?" Ein Gesicht schob sich in Abrahams Blickfeld. Es öffnete den Mund: "Nein Officer. Den kenne ich nicht." Das Gesicht kam immer näher und die Umrisse verschwammen vor Smiths Augen. Dann sah Smith seine Augen. Grün in Grün waren sie. Smith riss den Mund auf und wollte schreien, aber er spuckte nur Blut auf den weißen Boden. Das war das Letzte was er in seinem Leben in dieser Welt sah.