Donnerstag 8. September 1994 (1:45 Uhr)
Wer soll mich verstehen, der noch nicht im september zu den sternen hinauf gesehen hat. Es kommt mir so vor, als ob die nacht nie so schwarz wäre, als ob die sterne nie so klar und hell über mir leuchteten. Es hatte den ganzen tag geregnet, doch jetzt sind alle wolken weggewischt. Die erde duftet frisch und herb und der wind ist kalt und klar. Es fühlt sich alles rein und ehrlich an und jetzt, da ich schreibe, höre ich die bäume vor dem fenster rauschen. Ich trage seit heute morgen dieses unbeschreibliche gefühl in mir, das mich alles erkennen läßt. Es fühlt sich wie eine melodie an, die ewig süß durch die straßen zieht. Jedes geräusch, jeder luftzug ist kühl und beruhigend. Alles ist so vertraut. Ich spüre in mir, wie der herbst sich meiner bemächtigt. Es ist dieses vertraute, schöne gefühl, wenn alles sich mit einem weichen schleier umgibt, der die gedanken umschmeichelt. Es fühlt sich an wie verliebt sein. Jeder gedanke in mir ist ehrlich und schön, und ich spüre in mir, wie ich immer mehr in diese herbstliche gedankenwelt hinein sinke. Ich spüre, wie es mich hinaus zieht, in die felder. Aber ich muß schreiben. Denn es flutet durch meinen körper, durchwogt jede zelle und möchte hinaus. Ich träume vor mich hin und träume, wie ich mit dem wind durch die blätter wehe. Und es kommt mir nicht verrückt vor, Ich empfinde es als ganz natürlich. Ich spüre wie ich mit dem regen aus den wolken tropfe. Falle immer schneller der erde entgegen. Und der aufschlag auf den boden ist kein schmerzliches, jähes ende meiner reise. Mit jeder pore atme ich diese luft in mich ein. Und wenn ich aus dem fenster schaue, sehe ich die sterne. Und wie sie da so blinken, mal heller, mal dunkler, sieht es fast so aus, als würden sie mich rufen. Der herbst ist kein innbegriff von melancholie, er ist für mich der erwecker meiner schlummernden gefühle. Jede Jahreszeit hat seine eigene schönheit, aber der herbst offenbart ein geheimnis, welches man wohl nur in einer nacht im september entdecken kann. Vielleicht ist in dieser zeit die sehnsucht der menschen am größten. Wonach man sich auch immer sehnen mag. Die ganze pracht der welt überwältigt mich. All das, was ich die ganze zeit über nicht sehen konnte nehme ich in diesem augenblick wahr. Es ist wie pure energie, die mir in den fingern bizzelt. Meine füße rauschen und ich möchte laufen, laufen, laufen. Manchmal ist es ein guten gefühl einfach nur zu laufen. Es ist völlig gleich wohin. Ob aufeinander zu, oder voneinander weg. Es ist dieses "vorwärts kommen" was zählt. Es ist einfach dies, daß sich etwas bewegt. So wie der wind, der leise durch die blätter weht.
September (Freitag,der 9.) Teil Zwei
Ständig schwebt dieser weiche schwamm in meinem magen und mit jedem schritt dümpelt er auf und ab. Und genau so geht es in meinem kopf vor sich. Jeder gedanke läßt sich nicht an einer festen stelle halten. Ständig driftet er von der einen ecke des kopfes zu einer anderen. Manchmal glaube ich, daß ich im kopf mehr fühlen kann als mit meinem herzen. Aber ich weiß noch nicht einmal, ob es ein gutes oder schlechtes gefühl ist. Es ist einfach wie in dieser nacht. Ich meine die nacht von mittwoch auf donnerstag. Es war drei uhr dreissig in der früh, als mich ein unglaublich intensives gefühl überrannte. Ich war zuhause, lag im bett und wollte gerade etwas lesen. Doch dieses gefühl war wie ein aufschrei. Aber ich weiß nicht, ob gut oder schlecht. Ich denke nur, daß irgendetwas passiert sein muß. Etwas mit einem menschen der mir irgendwie nahe steht. Der diese unsichtbare verbindung zu mir hat. Seit dieser nacht trage ich dieses unbestimmte gefühl in mir und ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat. And there is nothing I can do, ich werde es nicht los. Und ich weiß noch nicht einmal, ob ich es wirklich los werden will, oder überhaupt mit jemandem darüber sprechen. Ich seufze den ganzen tag vor mich hin und warte auf etwas. Aber, was soll ich sagen, ich weiß nicht auf was. Ich habe nur dieses bedürfnis jemanden in den arm zu nehmen. Aber eigentlich will ich alleine sein.
Jetzt sitze ich im quartier latin, die milchkaffetasse vor mir und im radio läuft sting. Ein klassiker!
Die ganze zeit über frage ich mich, was ich eigentlich will und was dieses gefühl in meinem bauch zu bedeuten hat. Diese gefühl, was sich verstärkt wenn mir der kalte wind ins gesicht bläßt, ohne daß er mich frieren läßt. Sowieso habe ich im moment eine besondere beziehung zu wind. Manchmal muß ich lächeln, denn ich denke: "Der Wind ist mein Freund", was auch immer das zu bedeuten hat. Vielleicht deshalb, weil der wind die spuren der vergangenheit sanft aber mit bestimmtheit langsam verwischt. Aber wieso denke ich soetwas? Es gibt nichts in der vergangenheit was ich weggewischt wissen möchte. Der wind ist mein freund. Wieso? Weil der wind mich immer begleitet, schweigend meinen worten lauscht, mich streichelt ohne mich zu fragen?
Herrje, auf welchen trip bin denn ich gerade?
Zumindest bin ich nicht depressiv. Es ist eine stumme euphorie die ihre wilde revolution in meiner seele zelebriert, ohne eine regung in meinem gesicht zu hinterlassen. Von innen dringt nichts nach außen. Aber alles von draußen bricht in mich hinein. Bin ich alleine spüre und lebe ich das allein sein. Ist jemand da, so bin ich völlig bei ihm. Ob lachen oder weinen, mein gegenüber reisst mich automatisch mit. So als wäre ich völlig willenlos dem wind ausgeliefert, der launisch mal hier, mal dorthin weht. Es ist ein spiel an dem ich teilnehme, welches ich aber nicht beeinflussen kann. Die würfel fallen mal so, mal so und ich rücke weiter auf dem spielfeld oder muß aussetzen. Aber es bin nicht ich der würfelt.
September (Samstag, der 10. um ca. 15:30 Uhr) Teil Drei
Wenn nicht ich es bin der würfelt, wer dann?
Seit gestern nacht glaube ich wieder an die geheime macht des schicksals. Zuviel habe ich vorher gewußt, vorher gespürt. Ganz so, daß es mir unheimlich werden kann. Das gefühl in meinem magen, in meinem körper hat jetzt seinen grund gefunden und es wandelt sich in diese art von wissendem mitgefühl. Ich bin also nicht der einzige der im moment nicht so recht weiß wie er sich fühlen soll oder kann. Wie alles weitergeht, im herzen. Aber jetzt, da ich im godot sitze, die sonne lacht am blauen himmel und der wind peitscht durch die straßen, frage ich mich, wieso ich eigentlich diesen draht, die unsichtbare mentale verbindung zu jemand anderem habe. Wenn ich ehrlich bin wäre es mir lieber es wäre nicht so. Denn, solch großes gefühl es auch sein mag, ich wäre lieber ich selbst, hätte zeit für mich und meine probleme und gedanken. Es ist zwar ein phantastisches gefühl zu wissen, zu verstehen, was mit jemand anderem geschieht. Aber ich kann keinen nutzen, keinen sinn darin sehen. Mir geht es dann trotzdem eher schlecht. In mir steckt jetzt eine tiefe trauer, wohl eine ablösung für dieses merkwürdige, unwissende gefühl. Logischerweise habe ich demnach ein großes interesse daran, daß sich alles regeln wird. Ich kann nur nicht klar sagen, daß ich nur rein um meinetwillen geregelt wissen will. Aber es kann eigentlich nicht in meinem interesse liegen, die angelegenheit für mich zu regeln. Zu viele ungeklärte variable stecken in dieser gleichung, als daß das ergebnis jenes sein könnte, was ich mir insgeheim wünschen sollte. Eben dieses klare, einfache und unumstößliche resultat. Alles was geschieht ist mit meiner auffassung von "laufen" zu entschuldigen. Ohne bewegung gibt es kein vorankommen. Na gut! Bewegung kann auch einen rückschritt bedeuten. Nennen wir es einfach fortschritt. Fortschritt bringt erfahrung oder erfahrung bringt fortschritt. Eine einfache gleichung ohne wenn und aber, ohne gefühlsduseleien, ohne ausflüchte und falsche hoffnungen.
Die sonne scheint, die musik aus dem café schwingt auf den platz und ich denke an meinen geistigen bruder. Ich sehe die bilder, höre die worte von letzter nacht und ich bin stolz auf ihn. Natürlich ist es stärke. Nur diese stärke die in ihm brodelt wird nicht von ihm genutzt. Er verschenkt sie aufrichtig und gerne. Vielleicht zuviel, zu oft. Vielleicht ohne das rechte, ausgeglichene maß. Sodaß manchmal zuwenig für ihn selbst übrig bleibt. Vielleicht zu wenig für die situationen in denen er noch etwas hätte retten können. Aber vielleicht ist es auch genau so richtig. Wer soll schon die großen zusammenhänge verstehen? Wohl auch nicht jemand, der im september schon mal zu den sternen hinauf gesehen hat.
September (Samstag,der 10. um ca. 18:00 Uhr) Teil Vier
Das gefühl schleicht sich wieder in meinen magen. Ich muß denken, daß es meinem seelenbruder jetzt richtig dreckig geht. Er wird jetzt wohl irgendwo sitzen und vor sich hinstarren, genau wie ich. Ich frage mich wieder: "Wie soll das alles weitergehen?"
Ich sitze im quartier latin über meinem zweiten milchkaffee und lausche der musik. "I was trying to forget you", plärrt es da aus den boxen. Und ich frage mich, ob ich da etwas zu vergessen versuche, oder wie oder was? Hänge ich den worten nach die ich gestern nacht so einfach und versonnen dahingesprochen habe, als ich sagte, daß ich über einen unglaublich langen zeitraum wirklich rundum glücklich war. Hänge ich dieser zeit mit dem herzen nach, obwohl wir beide mit dem kopf wissen, daß es so gewiß nicht mehr sein wird? Und soll ich überhaupt soetwas denken oder wünschen?
"...I was trying to forget you, do what you do..." Ich will bei weitem nichts vergessen, aber ich will ganz bestimmt nicht immer daran denken. Deshalb kann ich wohl auch keine neue beziehung anfangen, im moment. Aber wie lange soll dieser moment noch andauern? Wir wissen, daß es kein zurück mehr gibt. Wir können es uns nicht vorstellen. Ich für meinen teil weiß allerdings nicht so genau warum. Ich fahre hier gewiß nicht eine herz-schmerz-aktion, aber es gibt immer noch dieses gefühl im magen, diese leere, die sich durch viel essen nicht auffüllen läßt. Diese leere frißt meine ganze energie auf, meine ganze motivation. Das einzige wozu ich mich aufraffen kann, ist in den feldern spazieren zu gehen, mich naßregnen zu lassen und die leere auch von meinem kopf besitz ergreifen zu lassen. Und jetzt muß ich mich selbst fragen, ob ich in dieser zeit des absoluten glücks zuviel verschenkt habe. Soviel, daß ich noch immer ausgebrannt bin. Ausgebrannt ist ein gutes wort. Die brennkammern loderten so hell und heiß, daß sie zu schnell verglühten. Keine power mehr und auch kein schub, kein funke wäre groß genug um die maschine wieder zum laufen zu bringen. Man, das klingt hart, als wäre ich am boden zerstört. So ein quatsch. So ein QUATSCH!
Die maschine läuft noch, langsam und bedächtig, vielleicht sparsam, auf kleiner flamme. So, daß noch genug energie frei wird um irgendwo aufflammen zu können, genug um immernoch großzügig sein zu können.
Und um all das zu verstehen muß man vielleicht mehrmals im september zu den sternen hinaufsehen. Vielleicht ein paar schritte mehr laufen als gewöhnlich. Vielleicht langsamer, bedächtiger als gewohnt. Etwas genauer beobachten als sonst. Aber wer will das schon?
September (Samstag,der 10. um ca. 19:00 Uhr) Teil Fünf
incredible
to find the right words to measure
there's no way
to find the way to this hidden treasure
not sure
if I want to change my way
forever
burned, since this, this long gone day
restless
running after that what I have lost
so blind
I won't see the much it cost
incredible, there is no way
not sure, forever restless
but so blind.
September (Sontag, der 11. um ca. 15:40 Uhr) Teil Sechs
So, heute wache ich also wieder neutral auf. Das angespannte gefühl ist gewichen, der kopf ist frei und die leere in meinem bauch kann ich zweifelsfrei auf hunger zurückführen. Jetzt muß ich mich aber fragen was das alles zu bedeuten hatte. Es ist einfach nicht meine art, etwas einfach nur so hinzunehmen. Jedenfalls nicht soetwas. Heute nacht noch bin ich ewig durch die dunkelheit gewandert und jetzt ist einfach alles weg. Und jetzt will ich wieder einmal wissen was sache ist. Aber ich spüre, so wie auch dieses gefühl verloren gegangen ist, verliere ich die möglichkeit, das was ich fühle aufzuschreiben. Auch wenn es da eine kleine unruhe in mir gibt, ich weiß nichts, ich fühle nichts, die verbindung ist irgendwie tot.
Ich sitze auch nicht einfach nur da (im godot) und starre vor mich hin, so wie ich es tue wenn ich etwas schreiben will, es aber nicht kann. Es ist vielmehr so, daß ich auf meinem hocker hin und her rutsche und mein blick mal hierhin, mal dorthin wandert. Ich sollte es wohl bleiben lassen, das mit dem schreiben. Oder sollte ich noch so manch anderes besser bleiben lassen? Oha! Immerhin habe ich noch meine allgegenwärtigen zweifel behalten. Aber ich habe einfach keine lust zu den sternen hinauf zu sehen. OK, es ist auch noch hell draußen. Aber ich habe auch keine lust zu laufen. Ich habe keine lust auf garnichts. Vielleicht bin ich ja doch, oder letztendlich jetzt, ausgebrannt. Ich will eigentlich nur schach spielen und ich glaube diesen resetknopf kann ich jetzt wirklich gut gebrauchen. Alle parameter wieder auf null setzen. Mal schaun' was dann so alles in mir vor geht.
September (Sontag, der 11. um ca. 19:40 Uhr) Teil Sieben
Bumm! Jetzt hat es mich wieder voll erwischt. Seit stunden baut sich diese kleine unruhe zu diesem wilden, heissen unwohlsein wieder auf. Mein gesicht glüht und ich zittere am ganzen leib. Ich muß schwer atmen, ich bin fix und fertig mit der welt. Was geht hier ab? Was ist bloß los? Ich kann es nicht poetisch verpacken, denn es verpackt mich selbst, vollkommen ohne chance auf flucht. Ist denn schon wieder was passiert? Ich will nicht mehr, die hand zittert beim schreiben. Mein herz droht zu zerspringen. Was geht hier ab? Alles ist stress, alles nervt, ich finde hier keine ruhe, ich finde keine ruhe woanders. Wo ist jetzt mein seelenbruder wenn ich ihn brauche?
Aber ich traue mich nicht ihn anzurufen. Ich glaube er hat selbst genug probleme.
Aber ich kämpfe hier mit meinem beipass und ringe um mein leben.
Das was ich denke, was mit mir geschieht kann ich jetzt nicht gebrauchen, will es nicht wahr haben. Das kann nun jetzt wohl niemand gebrauchen. Ach lasst mich doch endlich in ruhe!
Bei dem lürscher-farbtest den ich vorhin mitgemacht habe, kam heraus, daß ich nicht über soviel nachgrübeln soll. Ich will ja garnicht grübeln, die geister sollen mich doch einfach nur in ruhe lassen. Ich bin hier auf dem auswegslosen-trip gefangen. Da nützt mir auch kein laufen, denn laufen bedeutet jetzt für mich "verrennen". Ich verrenne mich hier in eine sache aus der ich wieder raus will, weil ich nicht drinnen bleiben kann. Es ist kein wettrennen, es ist ein strampeln. Und mit jeder bewegung hänge ich immer tiefer in diesem netz. So tief, daß ich mich jetzt nicht mehr alleine befreien kann. Ich muß diese hektik loswerden. Nur mit ruhe kann ich mich entknoten. Mein herz und meine seele aus diesem wirrwar befreien. Ich soll nicht, ich kann nicht, ich will nicht. Aber doch, ich will! Ich will nur nichts kaputt machen, ich will mich einfach nur entknoten, nicht das netz zerreissen. Es reicht eben nicht, einfach nur zu den septembersternen hinauf zu schauen. Man muß nach ihnen greifen. Zumindest muß man es versuchen.
Mann, ist mir schlecht!
September (Montag, der 12.) 13:15 Uhr im Büro, Teil Acht
Ich bin wieder ganz am anfang. Jetzt, da ich mir meine gedanken nochmal durchgelesen habe, merke ich, daß es mir rein garnichts gebracht hat. Es steht hier garnichts. Das was ich da so runtergeschrieben habe, hat keine kraft, keine aussage. Oh doch, die aussage ist die, daß ich nichts zu sagen habe.
Ganz so, als wenn mir mein seelenbruder die belanglosesten dinge erzählt und mich dann fragt, warum er mir das jetzt eigentlich erzählt hat. Ganz genauso ist es auch hier bei mir. Ich frage mich wozu ich das alles geschrieben habe. Es sagt gar nichts aus. Das scheiß gefühl in meinem bauch geht dadurch nicht weg. Es bringt mir nichts. Ich weiß nicht einmal, was hier überhaupt steht. Der hohlraum in meinem bauch fängt an weh zu tun. Irgendjemand hat hier mit kalten fingern meine eingeweide heraus gerissen. Es ist kalt. Vielleicht komme ich mir so hilflos vor, weil ich nichts machen kann. Na klar! Wenn man nichts machen kann ist man ja wohl auch hilflos. Ich könnte kotzen wenn ich sowas schreibe. Was für eine riesenscheisse, was für ein geschwätz. Ich fühle mich wie ein kleines kind, das darauf wartet in den arm genommen zu werden. Daß jemand kommt, der die ganze scheisse einfach vertreibt. Bei dem ich die augen schliessen kann, mit vertrauen.
Niemand ist aber da. Ausser brüderchen alkohol. Gestern nacht habe ich mich so richtig sinnlos betrunken. Halt! Nicht sinnlos! Besinnungslos wäre da wohl der richtige ausdruck. Und das war gut, denn der wattebausch in meinem kopf hat alle gedanken sanft verdrängt. Aber jetzt, da ich wieder nüchtern bin, merke ich, daß ich es hasse etwas zu verdrängen. Aber verarbeiten kann ich es ja auch nicht. Denn ich weiß nichts.
Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich diese zeilen meinem seelenbruder wirklich geben will. Was soll mir das bringen. Oder ihm? Was kann er denn hier verstehen? Was kann er mir sagen, mir geben? Es wird nichts bringen. Es hat nie etwas gebracht.
Beim durchlesen habe ich bemerkt, daß ich am anfang eine aussage mache und am ende dieses aussage völlig wiederlege, das gegenteil behaupte. Was soll ich mir denn nun glauben? Es ist klar was jetzt kommt: Ich weiß es nicht!
Hätte ich jemals richtig klavier spielen gelernt, würde ich jetzt die traurigste melodie der welt spielen. Und der text zu dem lied wäre einfach nur: "I don't know, I don't know".
September (Dienstag, der 13.) im Büro. Teil 9
Eigentlich geht es mir heute ganz gut. Eigentlich ist aber heute alles wie in einem dichten nebel. Auch das gefühl in meinem bauch sieht so aus, als wäre es manchmal hinter dichten nebelschwaden versteckt. Und nur manchmal drückt der wind diese schattenhafte wand vor diesem gefühl beiseite. Dann kann ich es wieder deutlicher spüren. Ich habe hunger, aber keinen appetit. Wenn ich mir mit der hand übers gesicht fahre, fühlt es sich an, als hätte ich handschuhe an. So taub und gefühllos. In meinem bauch spüre ich eine art von angst. eine langsame, zerrende angst. Eine stumme melancholie zieht durch meinen kopf und läßt ihn vorn über hängen.
Im radio läuft gerade "Streets Of Philadelphia" von Bruce Springsteen und ich spüre den harten, langsamen beat in meinem magen.
"And no angle 's gonna greet me, it's just you and I my friend"
Just you and I my friend? Wo ist mein freund? Wo ist all das was ich gebe, was ich zu leichtfertig verschenkt habe. Es ist so deprimierend, daß da gar nichts ist. Niemand der es zu schätzen weiß, der sich mal sagen könnte: "Komm, jetzt bin ich mal dran mit geben". Aber nein, da draußen ist nichts mehr. Keiner kommt von selbst. Es ist so kalt da draußen, so hart und so oberflächlich. Ich kann doch schreiben was ich will, es wird zwar einige leute rühren, vielleicht zum erinnern bringen, zum nachdenken, aber was bringt es mir.
Ich bin gefragt worden, ob ich vielleicht angst hätte vor dem alleine sein. Ich habe gelacht und gesagt, daß ich eigentlich nicht alleine bin. Aber nur weil ich nicht zuhause bin. Denn da würde ich alleine sitzen und kein mensch würde sich um mich kümmern. Nicht daß ich das unbedingt brauchen würde, ich bin ja ab und an ganz gerne mal alleine. Aber jetzt bräuchte ich wirklich jemanden. Nicht einfach nur einen menschlichen körper der neben mir sitzt, sondern eine menschliche seele, die mich versteht, oder einfach nur bescheid weiß. Ich habe keine lust, mir den mund fusselig zu reden. Was habe ich denn getan, daß sowas nicht geht?
Ich bin eben sehr lange auto gefahren und habe dabei schöne, alte musik gehört. Musik aus der zeit, als es mir echt gut ging. Und die ganze zeit über hat sich so ein wehmütiges gefühl in mich eingeschlichen. Vielleicht hätte ich mir diese kassette nicht geben sollen. Vielleicht sollte ich nicht mehr spazieren gehen. Vielleicht sollte ich nicht mehr in die sterne sehen. Ich kann sowieso nicht nach ihnen greifen. So nicht.
September (Mittwoch, der 14. ca. 16:30 Uhr) im Büro. Teil 10
Mein lieber freund! Heute habe ich aber allen grund mich scheisse zu fühlen. Das ist doch schon mal was! Alles scheint über mir zusammenzubrechen. Aber ich habe immernoch keine lust mich deshalb hängen zu lassen. Insofern ist es ganz gut, daß es gerade alles so scheisse läuft. Das ist ein herrlicher ansporn es dieser welt zu zeigen. Aber jetzt stehe ich vor dem entschluss etwas aufgeben zu müssen. Das ist nicht schön, aber wohl eine wichtige erfahrung. Vielleicht sollte ich aber auch mal so richtig ausflippen. Das wäre auch mal nicht schlecht. Also stehe ich wieder, oder immernoch vor diesem abgrund und ich weiß nicht wie ich mich nun fühlen soll, was ich tun soll. Im moment bringt es mir garnichts, wenn ich nur das tue was ich denke. Im moment sieht alles recht hoffnungs- bzw. trostlos aus. Peter fragte mich gestern, ob ich auch schon mal so ein richtig schlechtes jahr gehabt hätte. Spontan sagte ich: "1994", aber dann sagte ich mit einem griensen, aber eigentlich ist dieses jahr auch nicht so schlecht, und sowieso ist das jahr ja noch nicht vorbei. Also wie? Soll dieses jahr also als mein "schlechtes jahr" in meine geschichte eingehen? So wie es ausschaut sind mir schon ein wenig die hände gebunden um es nochmal zum guten kehren zu können. Aber wie soll man auch positiv drauf sein, wenn man morgens aus dem fenster sieht und ist nur graues regenwetter. Und wie soll man wieder hoch kommen, wenn einem nur scheisse wiederfährt, wenn man soetwas wie das hier schreiben muß. Ja muß? Immernoch besser als es in sich zu vergraben. Ja genau! Wenn ich mir hier so anschaue was ich gerade tue, dann möchte ich sagen, daß ich mich wohl gerade wieder aufrapple. Das wäre doch mal was. Auf jeden fall bin ich wohl nicht schräg genug drauf, um in gewohnten stil hier meine gedanken aufzuschreiben. Vielleicht auch deshalb, weil mir so wahnsinnig viel durch den kopf wirbelt und doch so wenig.
September (Donnerstag, der 15.) im Büro. Teil 11
So ihr lieben leute! Ich weiß zwar nicht, ob meine aktuellen entscheidungen das resultat meines bisherigen seelenzustandes sind oder waren, aber immerhin bin ich jetzt wieder tatkräftig entscheidungsfreudig. Auch wenn diese entscheidungen nicht so erfreulich sind, ist das immernoch besser als dieses statische in-der-luft-hängen. endlich bewegt sich etwas und das ist wichtig. Ha, wie ich sagte, es kommt auf den fortschritt an. Und den sehe ich wieder in der ferne über den horizont blinzeln. Sowieso kann ich es nicht leiden irgendwelchem mist nachzuhängen. Und der mist, der mir zweifelsfrei die ganze zeit über durch den kopf und den bauch gewandert ist, ist es wirklich nicht wert sich fertig zu machen. Aber halt! Gewisse sachen, bestimmte denk- und fühlvorgänge sind eigentlich kein mist. Zwar machen sie wenig sinn, da sie meiner meinung nach zum scheitern verurteilt waren, aber mist war es nicht. Wie ich schon so weise bemerkte, alles hat seine zeit und diese erfahrung war und ist wieder einmal sehr wichtig. Und wenn jetzt die richtigen menschen dabei wären, dann würde es wohl auch sehr schön sein, einfach nur so in die sterne zu schauen. Einfach weil es ein schönes gefühl ist.
September (der 15. um 21:45 im Büro) Teil 12
mein herz schlägt schneller als ein rave. dem aufmerksamen leser sei hier gesagt, daß ich im moment zu einem brachialen gewaltausbruch tendiere. für den der mich kennt wäre dies eine riesen überraschung. denn es gibt keinen menschen auf der welt, der mich schon mal auf irgendeine art gewalttätig gesehen hätte. Aber ich fühle mich jetzt wirklich betrogen. sich von der welt betrogen zu fühlen ist ja mal ganz ok. aber wenn ich das von meinem seelenbruder denken muß, dann tut das verdammt weh. jetzt fragt ihr euch sicherlich, was denn jetzt passiert wäre, was er mir wohl angetan haben könnte. ganz einfach: nichts! ich habe nicht einfach nur das gefühl, daß er sich hier gerade selbst betrügt, sondern ich weiß es, mit meiner ach so großen erfahrung und weitsicht. ja, lacht nur! was macht das schon? nun, wieder einmal ganz einfach. wie das nunmal so ist, versteht man sich mit einem seelenbruder ohne worte, über kilometer entfernung hinweg. und jetzt ist dieses verständnis kaputt. nicht daß es langsam unter dem zahn der zeit verbröselt wäre, nein. hier geschieht eine metamorphose. nur daß aus der raupe kein schöner schmetterling wird, sondern ich meinen seelenbruder verliere und zwar an den hass. ich hasse die gedanken die er mich zwingt zu denken. es macht mir nichts aus, zu etwas von ihm auf diese weise gezwungen zu werden. aber hier geht etwas besonderes zugrunde. vertrauen basiert auf vertrauen. wieder einmal eine simple gleichung. ein kreis ohne ende und anfang. aber dieser kreis wird gerade auf unnatürliche art und weise verbogen. die energie in diesem kreis eiert jetzt nur noch auf ihrer bahn. mag sein, daß ich gerade anfange etwas kaputt zu machen. das kann aber eigentlich nicht sein. wenn ich diesen kreis ein wenig belaste, dann in die gegenrichtung zu der belastung die von meinem seelenbruder ausgeht. schwer zu verstehen, was? ich schreibe hier auch nicht, um euch meinen nackten hintern zu präsentieren. ich schreibe, um mich abzureagieren, mich zu verstehen, zu ordnen. ich hasse es zu hassen. dieses gefühl ist mir fremd. genauso wie mißtrauen. also muß ich unglaublich naiv und blauäugig gewesen sein. muß es wohl immernoch sein. aber das habe ich nun davon, daß ich lieber etwas schreiben, als daß ich mal was kaputtschlage. das würde man zwar weniger verstehen, aber wenigstens bemerken. aber zurück zum thema. ich verliere gerade meinen seelenbruder aus dem grund, weil ich ihn so wie er sich mir präsentiert nicht mehr haben will. das dumme an solchen seelenbruderschaften ist die tatsache, daß mal sich diese art von bruder nicht aussuchen kann. also klebe ich an ihm wie die fliege an der scheisse. aber diese scheisse stinkt nicht mehr so, wie ich als fliege diese einmal lieben lernte. ich weiß, ich weiß, im anbetracht der sachlage ist das ja auch eher gut für mich. aber es tut mir mehr weh zuzusehen wie er sich hier benimmt, als daß ich sinnlos mein herz verlieren würde. aber hallo, ich verliere andersrum genauso mein herz. ich verliere sozusagen alles, woran ich geglaubt habe. aber leider ist diese phrase schon zu abgedroschen um sie so zu verstehen wie ich es wirklich meine. ich meine verstehen, nicht nach-voll-ziehen. aber was nützt mir das, ich will lieber was kaputt schlagen.
September (Freitag, der 16. um 15:00 Uhr) im Büro Teil 13
gestern nacht habe ich gesagt, daß ich, auch wenn ich will, nicht mehr weinen kann. doch als ich vorhin auf der autobahn war, rollten stumme tränen über meine backen. ich kann die welt wirklich nicht mehr verstehen. dieser schmerz in mir breitet sich vom magen immer weiter aus. der schmerz sitzt in jeder ecke meines körpers. ein zerrendes unverständnis, ein schreiendes "wieso?".
gestern nacht habe ich gott angeschrien, aber er hatte es nicht gehört. und ich habe keine kraft mehr jemand anderes anzuschreien.
das salzige wasser drängt sich in meine augen. im radio läuft: "Love is all around" von Wet Wet Wet. Jedes wort schlurft durch mein gehirn und reisst es in stücke. "...it's written in the wind, it's everywhere I go, so if you really love me, come on and let it show. ist schon irgendwie lustig: it's written in the wind, und der wind ist mein freund. und es fühlt sich so an, als ob der wind mein einziger freund wäre. aber der wind ist kalt. der wind war gestern nacht verdammt kalt. als ich gestern nacht nach hause fuhr, es war punkt zwei uhr, kreuzte mein seelenbruder meinen weg. ich sah sein gefährt von weitem wie er vor seiner tür einparkte und ich trat in die bremse, stand eine weile nur da, mein motor brabbelte im leerlauf, die gedanken wirbelten. dann bog ich ab, fuhr davon. aber warum? es gibt kein entkommen. ich tue das was ich fühle. das bleibt wohl immer so. auch wenn es weh tut, ich kann garnicht anders. mein herz klopft wieder wie verrückt und immer wieder frage ich mich, was das alles soll. und ich kann es nicht mehr hören, dieses "ich weiß es nicht". es tut so weh. ich fuhr auf der autobahn und grübelte darüber nach, warum ich nicht auf diesen herrlichen brückenpfeiler drauffahre. ich grübele immernoch. es ist schon ein merkwürdiges gefühl, wenn man denken muß, daß der tod die sauberste lösung für alles wäre. ein sehr merkwürdiges gefühl. man klammert sich in einem solchen moment an das lenkrad und versucht die spur zu halten, aber der blick wandert in richtung der wand, an der alles vorbei sein könnte.
aber ich habe nichts vergessen. ich habe keine angst vor dem tod, aber für mich ist das noch nicht soweit. ich habe hier noch viel zu tun. ich kann niemanden so hängen lassen. mein herz schlägt immer schneller. wiedereinmal denke ich, daß ich mir etwas vormache. das was ich noch zu tun habe kann ich nicht erkennen. jetzt abzutreten wäre schade, echt schade. alles was ich wüßte wäre verloren, einfach weg. Oh, wie ich dieses wort hasse, "schade!". es gibt keinen ausdruck für das was ich wirklich denke, empfinde. sogar jetzt, nach all diesen seiten ist es nicht richtig ausgedrückt worden.
September (der 16. im Büro, nicht so viel später) Teil 14
jetzt sitze ich hier und starre vor mich hin. habe stundenlang nur einen punkt vor meinen augen und lasse alle gedanken langsam durch meine eingeweide rinnen. alles verschwimmt vor mir, so als ob ich einer dicken soße sitzen würde und das zeug blubbert und wabert kochend vor sich hin. ich sitze hier und will mich nicht bewegen. alles ist in dieser suppe gefangen, nichts bewegt sich. auch ich nicht. kein gedanke kann mir durch den kopf rennen, kein gefühl hastet durch meinen bauch, mein herz. und solange niemand an dieser suppe rührt wird es auch so bleiben. so wie ich jetzt hier sitze. aber meine finger bewegen sich über die tastatur ich starre auf den bildschirm und sehe manchmal vergangene bilder, dort wo sich eigentlich mein text befinden sollte. es läuft hier ein film vor meinem auge ab, und ich muß nur auf diesen punkt starren und die bilder huschen an mir vorbei. ich brauche sie nicht zu betrachten, ich weiß was sie mir zeigen. sie zeigen mir das, was ich nicht mehr sehen will, nicht mehr ertragen kann. kein vorhang fällt, die show geht weiter, egal wo ich stehe, egal wo ich bin.
jetzt habe ich dieses telefongespräch hinter mir und schlucke an diesem kloß in meinem hals. ich wäre gerne etwas lockerer drauf gewesen, ich habe es wirklich versucht, aber meine stimme konnte nur noch das wiedergeben, was in mir steckt: leere.
September (Samstag, der 17. im Godot um 18:30 Uhr) Teil 15
Wieder habe ich eine nacht hinter mir, von der ich mir viel erhofft hatte und nichts bekam. Eine nacht in der ich wieder einmal nur etwas geben konnte. Ich brauche nicht zu erwähnen, daß mein dummes gefühl nicht gewichen ist. So langsam gewöhne ich mich daran, daß dort wo mein magen sein sollte eine waschmaschine im schongang vor sich hinrotiert. Es kommt mir schon selbstverständlich vor, wenn ich meine zeilen immer und immer wieder durchlese. Im moment ist es in mir mehr ein zitterndes, drehendes etwas, was mich schwindelig werden läßt, wenn ich die augen schließe. Aber trotz dem ich mich langsam ergebe suche ich den tieferen sinn in dieser ganzen angelegenheit. Dieses auf und ab der drehzahl meines inneren motors, der sich nicht wieder auf ein normales niveau drücken läßt. Diese übelkeit die durch mich hindurch fährt. Dieser d-zug, der kommt und geht, aber immer seine spuren hinterläßt. Ich bin ständig auf der suche, woimmer ich sein mag. Es gibt keine rast, es gibt keine ruhe, keine pause. Eben gerade stößt es mir wieder in den magen und läßt mich schneller und tiefer atmen, läßt meinen kopf rotieren und ich weiß nicht woran ich eben gedacht habe. Ständig bin ich in diesem taumel der absoluten liebe und der abgrundtiefen ablehnung. Ich hoffe, daß ich niemanden das spüren lasse. Aber so sehr ich versuche mich zu beherrschen, ich glaube es gelingt mir nicht immer.
Jetzt, im moment bleibt mir die luft weg, so als ob ich aus einem flugzeug gesprungen wäre und meine eingeweide würden verzweifelt versuchen meinen fallenden körper wieder einzuholen. Ich könnte weinen und ich muß wirklich mit den tränen kämpfen. Es ist zwar ein bißchen wenig los, hier im godot, aber ich fühle mich so unendlich verlassen und allein. So allein, daß es weh tut. Und jedes wort das ich schreibe schmerz mich ein bißchen mehr, weil ich hier nicht nur einfach irgendwas gefühlsduseliges aufschreibe, sondern genau das, was ich wirklich empfinde. Mir dreht sich der magen um, ich fange an zu schwitzen, will mich einfach nur fallen lassen. Ja, ich kann wirklich nicht mehr. Ja, da draussen ist wirklich niemand mehr. Ich kann es fühlen.
September (Samstag, der 17. im Büro um 21:52 Uhr) Teil 16
Es war gut, diesen heulkrampf gehabt zu haben. Jetzt ist diese leere in mir wieder perfekt, es gibt auch kaum noch emotionen. ich fühle mich wie in trance, starre seit stunden vor mich hin und friere. Das weinen hat mir gut getan. Das weinen und der zorn. es ist herrlich diesen zorn durch den körper wüten zu lassen, all die ungerechtigkeiten auszuleben. fast hätte ich geschrieben, daß es mir jetzt besser geht. aber es ist nur nicht ganz so schlimm wie vorhin. Vielleicht auch nur, weil der zorn, die wut, der hass jetzt alles in mir überdeckt. All die ungerechten gedanken kommen mir wahr und in meiner situation gerecht vor. Es tut gut ungnädig zu sein. keine staumauer hält mich im moment zurück und ich sitze nur da und lasse diesen brutalen krieg in mir geschehen. Vielleicht tut es mir irgendwann einmal leid. Aber ich muß mich für das was ich denke nicht schämen. Die gedanken sind frei, wie es so schön heißt.
Wie schade, es tut mir jetzt schon leid. Ich habe dieses bedauernde, zum kotzen selbstmitleidige gefühl wieder in mir. Dann habe ich auch keine lust weiter zu schreiben.
September (letzter Teil)
hallo!
ihr fragt euch sicherlich warum ich das getan habe. zumindest hoffe ich das! aber wer mich nur ein bißchen kennt, der weiß, daß ich immer das tue was ich gerade fühle. und das ist es was ich fühle und was ich tun muß. natürlich ist es unbegreiflich, natürlich ist es eine tragödie, aber, was soll ich sagen. ich klage euch, meine freunde nicht an, daß ihr nicht da gewesen seid. tut es bitte euch nicht an. es gibt niemanden, den ihr dafür die schuld in die schuhe schieben könnt. ihr wisst ja, daß ich immer die verantwortung am liebsten selbst übernommen habe. ich habe auch nichts getrunken und bin, wenn man das jetzt noch sagen kann, bei klarem verstand. es hat auch nichts mit dem geschäftlichen zu tun. ich bin, oder ich war, ein stehaufmännchen. ich möchte es euch nur erklären, wie das nun mal meine art ist. ich möchte euch noch etwas auf den weg geben, denn jetzt bin ich einfach nicht mehr da, um euch zuzuhören. also:
ich bin immernoch der ansicht, daß es nichts schöneres gibt, als sein leben so zu leben wie man es wirklich will. aber in meinem falle gibt es nun etwas, was ich nicht allein in die hand nehmen kann, was ich mir nicht alleine regeln kann. und da ich das was ich verloren habe nie mehr wieder haben werde, es aber brauche wie die luft zum atmen (makaber was?), muß ich jetzt konsequent sein. ich glaube es wäre eine qual für jeden, der mit mir zu tun haben würde, wenn ich jetzt nicht diese letzte konsequenz ziehen würde. und auch wenn ich vieles ertragen kann, ich möchte wirklich so nicht weitermachen. also möchte ich euch sagen: es gibt nichts schöneres, größeres als das leben. und das leben ist nicht einfach nur zu atmen, zu essen und zu schlafen. lebt eure träume, liebt und gebt anderen was ihr habt. es ist wunderschön, wenn es jemanden gibt der es gerne annimmt und zu schätzen weiß. ich habe nur den fehler gemacht, das größte für mich zu früh in meinem leben zu erreichen. den menschen zu finden, der für mich den größten preis darstellt. und wie es nunmal so ist, gibt es nach dem größten preis garnichts mehr. da nutzt mir auch mein selbstbewußtsein nichts. bitte denkt nicht ich wäre vor etwas davon gelaufen. ich lasse nur los, und das mit liebe. keiner soll sich meinetwegen schlecht fühlen. und ich hoffe, daß das jeder weiß. glaubt mir, ich habe lange genug darüber nachgegrübelt, und ich will niemandem weh tun, oder im wege stehen. dieser wahn ist einfach ein prinzip von mir, also muß ich dazu stehen. es war wirklich schön euch kennen gelernt zu haben und jedem der diese zeilen zu hören bekommt wünsche ich alles gute, ein erfülltes leben und nur sonnenschein. ich hatte schon alles gute und sonnenschein und mein leben hat sich hiermit erfüllt.
auch wenn ich niemals das lied aufnehmen konnte wie ich es immer wollte, auch wenn ich nicht mehr mit einem boxster durch den sommer fahren werde, auch wenn ich niemals ein haus mit einem schönen garten drumherum haben kann. ich hatte ein schönes leben, aber ich lag schon seit wochen im sterben und jetzt spiele ich meinen eigenen euthanasie-berater. natürlich könnte ich weitermachen, natürlich kann ich noch aufrecht gehen. natürlich ist das alles egoistisch. aber, bitte, laßt mich egoistisch sein.
ach scheiße! ich habe das doch alles nicht nötig! mein stolz erlaubt es mir auch mal zu weinen, ich kann mich geknickt fühlen, aber ich lasse mich doch nicht von sowas unterkriegen. ich haue eher nochmal jedem eins aufs maul, bevor ich wirklich die flinte ins korn schmeisse. und zuerst haue ich mir selbst mal eins aufs maul. zack. so, das war gut. jetzt geht es mir zwar nicht besser, aber ich habe wieder power. selbstmotivation nennt man sowas. und morgen, wenn es mir wieder dreckig geht, dann lese ich mir diesen "abschiedsbrief" nochmal durch und lache mich vorm spiegel selber aus. wer bin ich denn? und tschüss. ihr scheiß gedanken.
ich bin stier.
ich bin stephan bruchmann.
ich bin unbesiegbar. |